LANDPARTIE 6
E-BIKE-REISE: MIT DER STYRIETTE DURCHS SULMTAL-SAUSALText & Fotos: Michael Bernleitner
KOGEL, KERNÖL, KLAPOTETZDie südsteirische Wein- und Kürbis-Hochburg als reizvollste Bergprüfung für Elektrofahrräder![]() Es geht bergab. Immer schneller. Immer steiler. Die Straße von Kitzeck hinunter ins Sulmtal weist ein Gefälle bis zu 13 Prozent auf. Bei knapp 60 Sachen am BionX-Display der Styriette werfe ich Anker, bevor mir mulmig wird. Die Scheibenbremsen legen sich mächtig ins Zeug. Es geht aber auch anders. Intelligenter. Einfach die Rekuperation, die Bremsenergierückgewinnung, über das Bedienteil am Lenker einschalten, und der Elektromotor in der Hinterradnabe bremst und produziert Strom. Eine der vier Rekuperationsstufen passt genau, damit die Geschwindigkeit auf der Bergabstrecke konstant bleibt und sich der Adrenalinspiegel im Rahmen hält. Wir schonen die Bremsbeläge und machen gleichzeitig Energie, eigentlich genial. In diesem Fall ist es etwas übereifrig, denn ich bin mit vollem 355-Wattstunden-Akku in Kitzeck von oben nach unten losgebraust – und voller als voll geht bekanntlich nicht. Somit rinnt der schöne Ökostrom oben wieder raus, quasi. Die ganz große Frage ist aber offen, nämlich ob ich ohne Schieben wieder zurück komme. Kitzeck ist auf 564 Meter Seehöhe der höchstgelegene Weinanbauort in Mitteleuropa, die Perle des südsteirischen Weinlandes. Und 13 Prozent bergauf sind für jedes Elektrofahrrad eine Herausforderung. Um den 250-Watt-BionX-Motor der Styriette mache ich mir keine Sorgen – der ist bekanntermaßen gebirgstauglich –, aber eine Dreigangschaltung ist eine noch unbekannte Größe in dieser Rechnung. Die Radnabenschaltung ist eine feine Sache im ebenen Gelände, doch von Bergrädern ist man 24 oder gar 27 Gänge und einen wesentlich kürzer übersetzten ersten Gang gewohnt. Der Heimweg könnte also spannend werden.
Natürlich könnte man jetzt auch in einer der vielen hervorragenden Buschen-schänken hängen bleiben und sich eine herrliches Jause samt Kreszenzen der Region servieren lassen; man könnte in Heimschuh das Kernölmuseum besichtigen, in Kaindorf den Landschaftspark Grottenhof, in Nestelbach das Oldtimermuseum (auch etliche historische Fahrräder und Roller sind ausgestellt) oder das schöne Schloss Gleinstätten – das Sulmtal-Sausal ist gespickt mit touristischen Attraktionen. Die Styriette-Bergprüfung duldet aber keinen Aufschub. Das Sulmtal-Sausal ist mittlerweile E-Bike-Region, an mehreren Verleihstationen gibt es Pedelecs tageweise zu mieten – die hügelige Topographie der Landschaft sollte somit kein Problem für ein modernes Elektrofahrrad sein, auch wenn seine Optik der klassischen Puch Styriette aus 1938 nachempfunden ist.
Einöd, Sauegg, Steinriegel – die Bezeichnungen der Flecken in und um Kitzeck klingen entrückt, und der Ratschlag, den Rückweg nicht über die Hauptstraße, son- dern über den ruhigen Kroisgrabenweg zu nehmen, ist sicher gut: kein Verkehr und immer schöne, gleichmäßige Steigung. Tatsächlich genügen anfänglich die Stufen Zwei und Drei der vierstufigen E-Unterstützung, und über weite Strecken kann sogar im zweiten Gang gefahren werden. So kann die unvergleichliche Kulturlandschaft im Sausal (das ist das Hügelland zwischen den Flüssen Sulm und Lassnitz) voll ge- nossen werden – Felder Wiesen, Wälder, Edelobstkulturen und bis zu 60 Prozent steile Weinhänge fügen sich zum vielfältigen, aber harmonischen Naturmosaik. Sobald hoch oben in Kitzeck die Pfarrkirche Schmerzhafte Maria in Sicht kommt, heißt’s einen Gang zulegen. Also in die Erste schalten und volle E-Power. Der Pedelec-Sensor der Styriette ist ziemlich sensibel ausgelegt – tüchtige Elektrounterstützung gibt’s dann, wenn man auch selber tüchtig tritt. Dass das BionX-Dreiganggetriebe in hügeligen Regionen aus- reicht, zeigt sich in der S-Kombination zwischen dem gastfreundlichen Weinhof Kappel und dem Weinmuseum in Kitzeck: Hier ist es richtig steil, hier kommt man auch zu Fuß ins Schnaufen. Gut, dass das hier die schlimmste Stelle ist – und dass sie kurz ist.
Von den fünf Teilstrichen der Styriette-Ladestandanzeige sind noch drei da. Das sieht nach einer funktionierenden Symbiose aus körperlichem Einsatz und Elektrik aus. Ich belohne mich umgehend und eigennützig mit einem Ausflug in die Buschenschank der Familie Malli, die auf den steilsten Weingarten Österreichs stolz ist, auf prämierte Weine und auf preisgekrönte Jausen. Der Weg über die kaum autobreite Römerstraße nach Einöd ist entrisch, doch dementsprechend grandios ist der Ausblick von der Gästeterrasse hinunter ins Sulmtal – nicht umsonst wird der Hang auch „Panoramagalerie Sulmtal“ bezeichnet.
Mit einem prallen Akku geht sich sogar die 57 Kilometer lange „Sausaler Tour“ rund um Kitzeck aus, die je nach Geschmack auf eine 34 Kilometer lange Südwestroute oder eine 40 Kilometer lange Nordostroute eingedampft werden kann. Sankt Nikolai im Sausal sollte jedenfalls nicht ausgelassen werden, denn hier erklärt sich eines der regionalen Phänomene. Es gibt nicht nur glückliche Reben im südsteirischen Weinland, sondern höchst erfolgreiche Vorstöße in alle Geschmacks- richtungen: die erste steirische Whisky-Destillerie von Michael Weutz (alle Adressen stehen im „motomobil“-Infokasten); die kleine, dafür umso feinere und enthusiastische Essig-Erzeugung der Familie Waltl; das privat gebraute Flamberger Bier kennt 30 verschiedene Sorten. Darunter natürlich viele exotische, aber auch solche, die als Verdichtung des regionalen Geschmacks gelten dürfen: Braumeister Michael Löscher lässt das gute Hausbier immer wieder in den Gaststuben der Region testen, jeder tut mit und redet mit. Zum Abschluss noch ein letzter scharfer Anstieg auf den Demmerkogel, wo der größte Klapotetz der Welt zu bestaunen ist. Mit Blick aufs Sausal, das – auch jenseits des Weines – ein Konzentrat der Genüsse ist. Ein energetischer Kraftplatz, sozusagen. Wie ein guter Fahrrad-Akku.
GUT WOHNEN & SCHLAFEN ![]() SULMTAL-SAUSAL & E-BIKES Seit Frühjahr 2011 ist das Sulmtal-Sausal E-Bike-Region. An sogenannten „unbemannten Verleihstationen“ gibt es in und um Kitzeck 50 Elektrofahrräder (mit 360 Wattstunden Akku-Kapazität) nach dem Grazer Velovital-Konzept zu mieten, zum Beispiel in ![]() Elektroroller mit 45 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit und 17 Prozent Steigfähigkeit gibt es um 25 Euro pro Tag bei Elektro Kolar zu mieten, 8455 Oberhaag 249, Tel.: 03455/80 34 oder 0664/242 95 93; www.suedsteiermark.com/E-Roller-Verleih.113.0.html. Elektrofahrräder von KTM verleiht die Familie Strablegg um 15 Euro pro Tag, Narrath 10, 8452 Großklein, Tel.: 0664/283 71 28; www.tiscover.at/strablegg. Ist man mit dem eigenen E-Bike in der Südsteiermark unterwegs und sucht fachmännischen Elektro-Rat, so ist Styriette-Spezialist Walter Hubmann in Leibnitz der richtige Mann, Quergasse 5, 8430 Leibnitz, Tel.: 0664/253 67 08; www.fahrradklinik.at.tf SULMTAL-SAUSAL & PRODUZENTEN ![]() ![]() ![]() Von Sylvia und Michael Löscher wird das im weiten Umkreis gerühmte Flamberger Bier hergestellt: Besichtigung der Hausbrauerei gegen Voranmeldung, 8505 Sankt Nikolai im Sausal, Flamberg 101, Tel.: 03185/32 66; www.flamberger.at. Der Bierbrauer und Maschinenbauer DI Dr. Löscher fertigt dann auch die ausgetüftelten Gerätschaften an, in denen gleich ums Eck am waltl:hof von Christine und Gerhard Waltl exzellente Essige und eines der rundesten und besten Kernöle der Steiermark gezogen werden, Flamberg 35, 8505 Sankt Nikolai im Sausal, Tel.: 0664/424 60 32; www.flamberger-essig.at Und der Steiermark erste Whisky-Destillerie gedeiht ebenfalls im südsteirischen Weinland – Erzeuger Michael Weutz macht mittlerweile jedoch auch Wodka, Absinth und Whisky-Malz-Balsamico, 8505 Sankt Nikolai im Sausal 6, Tel.: 03185/344 40; www.weutz.at. Das vortreffliche (und auch nicht ganz billige) Sulmtaler Huhn sowie der Kapaun haben von Oktober bis März Saison (in dieser Zeit gibt es frische Sulmtaler Hühner); auf www.sulmtaler.at kann man sich über die Bezugsquellen informieren und über die Gaststätten, die das Gourmethendl auf der Speisekarte führen. INFOS & WWW ![]() ![]() Das 1979 eröffnete Weinmuseum Kitzeck hat von Anfang April bis Ende Oktober an Samstagen, Sonn- und Feiertagen geöffnet – hier wurde gesammelt, was in der Region seit einem Jahrtausend für die Kultivierung des Weinbaus und der Kellerwirtschaft in Verwendung stand. Eintritt 3 Euro, Steinriegel 11, 8442 Kitzeck, Tel.: 03456/30 00. |