Seite 1 von 2 ROLLER-REISE
DIE „GASTRO-TOUR“ NORDKROATIEN, KVARNER UND ISTRIENText: Michael Bernleitner Fotos: Uwe Krauss, Michael Bernleitner JE NACH GUSTO UND GESCHMACKHier ist die längst fällige Schlemmerreise in und rund um die Kvarner Bucht![]() Diesmal locken uns nicht das Badevergnügen an die Adria oder historische Kulturschätze, sondern ganz einfach der Appetit. Umso besser, wenn sich auf einer feinen Rollertour alles miteinander verbinden lässt. Dazu muss man das Rad nicht neu erfinden und erst mühsam auf Entdeckungsreise gehen: Unsere Freunde Kristijan und Igor Frljužec vom Rocker Motorcycle Rental in Zagreb vermieten nicht nur Motorräder aller Bauarten und Hubraumklassen, sondern sie bieten auch erprobte Themenfahrten an, je nach Gusto und Geschmack. Darunter verschiedene „Gastro-Touren“ in die interessantesten Gegenden Kroatiens: Die besten Wirtshäuser und Gourmetadressen sind wie an einer Perlenkette aufgereiht, dazwischen angenehme Unterkünfte. Wenn wir schon von den Spezialisten die Insider-Tipps bekommen, dann wollen wir’s nicht besser wissen und vielleicht gar woanders hinfahren … Fünf oder besser sechs Tage sollte man für die Tour einplanen. Zagreb kann man aus Salzburg, Oberösterreich oder dem Osten Österreichs bequem in zirka vier Stunden erreichen, von Tirol oder Vorarlberg aus ist die Fahrt ein bisschen aufwändiger. Los geht’s im Wallfahrtsort Marija Bistrica einige Kilometer nördlich von Zagreb, wo wir uns nach dem Besuch der Basilika und der Schwarzen Madonna sowie dem Genuss von regionalem Honiggebäck und ein paar Tropfen Honiglikör auf den Weg zum gerühmten Weingut Bolfan nahe dem keinen Dorf Hrašćina machen. Die schöne Weingegend ist hügelig, manchmal sogar sehr steil, und besonders dann wird die kurvige Straße besonders eng. Mit immensem persönlichem und wirtschaftlichem Aufwand hat Tomislav Bolfan einen biodynamischen Vorzeigebetrieb auf die Kuppe eines Weinberges gesetzt. Das stilvolle Haus mit traumhafter Aussicht wurde aus mehreren alten und baufälligen kroatischen Bauernhäusern kunstfertig neu zusammengesetzt; die fünf Gästezimmer sind gemütlich und komfortabel. Es kommen die besten Produkte der Region sorgfältig zubereitet auf den Tisch, bis hin zum Mehl für das hausgemachte Brot ist fast alles selber produziert. Natürlich gibt es Graševina, den trinkfreudigen kroatischen Welschriesling, der Bolfan-Reputationswein ist aber der Rajnski Rizling. Am nächsten Tag verlassen wir in würzig-klarer Frühsommerluft und mit Rajnski Rizling im Roller-Kofferaum die Weinberge. Die erste Teiletappe des Tages führt ins nördliche Velebitgebirge. Vorher aber noch durch das malerische Örtchen Slunj, das mitten im Zusammenfluss zweier Flüsse liegt, die sich gleich wieder verzweigen und die pittoresken Häuser des Dorfes in Kaskaden umfließen. Leben mitten im Wasserfall – was natürlich eine große Touristenattraktion ist. Auch die berühmten Plitvicer Seen liegen am Weg, und nur wenige Kilometer später gibt es bei Otočac das nächste Naturwunder: Der Karstfluss Gacka ist ein Schlundfluss – das heißt, er entspringt an einer Seite des Tales und versickert nach elf Kilometern auf der gegenüber liegenden Seite wieder im Erdboden. Dazwischen sind etliche historische Wassersägewerke erhalten sowie Wassermühlen zum Walken von Textilien. Die Bachforellen in der Gacka sollen angeblich fünf Mal schneller wachsen als in anderen Karstflüssen. Der „Nationalpark Nördlicher Velebit“ ist Winnetoulandschaft: Klarerweise sieht es so aus wie in den hier gedrehten Karl-May-Filmen, hinter jeder Straßenbiegung erwartet man Komantschen oder Old Shatterhand. Wer mag, kann hier das „Bärendorf“ in Kuterevo besuchen, das ein naturnahes Refugium für verwaiste kleine Braunbären ist, die durch widrige Umstände von ihrer Mutter getrennt wurden und alleine nicht überleben könnten. Auch Offroad-Strecken können im Velebit befahren werden; der serpentinenreiche Abstieg zur legendären Küstenstraße „Jadranska Magistrala“ ist ein spektakuläres Ereignis, das man nur an einigen Stellen der östlichen Adria erleben kann. In Stinica legt die Fähre nach Mišnjak auf der Insel Rab ab, die uns mit eher planlos hingeworfenen Appartmentsiedlungen empfängt. Dafür ist der historische Kern der Stadt Rab eine echte Mittelmeerperle. Natürlich gibt’s eine lebhafte Hafenpromenade, die Erkundung der höher gelegenen, ruhigeren Teile der Altstadt lohnt sich aber. Wahrzeichen des historischen Juwels sind die vier markanten Kirchtürme, die sich fast auf einer gemeinsamen Linie auf den typischen Rab-Ansichtskartenfotos verewigen lassen. Freilich gibt es in den Gaststätten viel fettes Pljeskavica, zuweilen auch sehr wohlschmeckendes. Das klassische gastronomische Highlight von Rab ist aber sicher die urig eingerichtete Konoba Rab, ein paar Meter von der Hafenzeile. Eine typische Speisenfolge sieht hier so aus: Nach der Vorspeisenplatte mit allerhand Schinken-, Käs- und Wurstvariationen kommt eine köstliche Kombination aus gegrilltem Oktopus in Eierspeis; dann ein helles Risotto mit Kvarner Scampi und ein dunkles Sepiarisotto; als Hauptgang eine riesige Zahnbrasse mit Kartoffeln und Mangold; schließlich die weithin bekannte Raber Torte, die nach einem 800 Jahre alten Rezept mit Mandeln, Zitronenzeste und Maraschino-Kirschlikör gemacht wird. Das gibt Kraft für einige Zeit. Die kann man brauchen, wenn man nach der Fahrt durch einen Steineichenwald und durch ein hoch gelegenes Moorgebiet den mit 408 Meter Seehöhe höchsten Punkt der Insel erreicht. Man balanciert durch eine riesige Geröllhalde, in der die Besucher hunderte, wenn nicht tausende kleine Steinpyramiden gebaut haben. Es gibt klaren Blick aufs Festland und auf die berühmt-berüchtigte Sträflingsinsel Goli otok („nackte Insel“), auf der hochgesichert bis 1988 das Faustrecht herrschte, und die gerne auch „Titos Hawaii“ genannt wurde. |