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FRANZ FARKAS FÄHRT DURCH INDIEN UND WUNDERT SICH NICHT EINMALText: Franz Farkas
Fotos: Klaudia Honeder, Gerald Schlager, Franz Farkas BEI TIGER, TURBAN & TUK-TUKIndien ist anders. 1,2 Milliarden Einwohner ergeben den größten Zweiradmarkt der Welt. Eine Reise wie durch einen Ameisenhaufen![]() ![]() Am nächsten Tag geht es nach Agra zum Taj Mahal. Die Straße (oder ist es die Autobahn?) ist leidlich, der Verkehr langsam. Wenn eine Kuh im Kreisverkehr auf der Ausfallstraße ihr Kälbchen säugt, steht einfach alles und wartet, bis die beiden fertig sind. Keinem Inder würde es einfallen, hier etwas beschleunigen zu wollen. Die Besitzer lassen ihre Tiere einfach am Morgen aus und fangen sie am Abend wieder ein. Gefüttert werden sie von Passanten, denn es ist für einen gläubigen Hindu einfach eine gute Tat, die Tiere zu füttern, es soll ihm Glück bringen. Wir jedenfalls beginnen uns an den Linksverkehr und die verkehrte Schaltung (rechts mit umgekehrtem Gangschema) zu gewöhnen. Das Durchschnittstempo liegt auch auf sogenannten Schnellstraßen nicht über fünfzig Stundenkilometer, eher darunter. Für 200 Kilometer können schon einmal auch acht Stunden vergehen. Dafür entschädigt uns der Besuch des Taj Mahals und des Forts. Kein Bild kann den persönlichen Eindruck ersetzen, den dieses Monument hinterlässt. Interessant ist die Tatsache, dass man nur mit Elektrofahrzeugen zum Taj gelangt – man hat offensichtlich Angst, die aggressiven Abgase von nicht ganz modernen Verbrennungsmotoren könnten das berühmte Grabmal zerstören. Die Hauptlast in der Stadt tragen – wie fast überall in Indien – die kleinen Tuk-Tuks, die es zu tausenden gibt. Im Prinzip sind das in Lizenz gebaute Piaggio Ape mit einer weiteren Sitzbank hinter dem Fahrer und einer kleinen Ladefläche. Obwohl für nur drei Personen (inklusive Fahrer) zugelassen, sitzen meistens schon in der ersten Reihe drei Personen neben dem Fahrer. Unter acht Personen Zuladung geht meistens nichts … Mich fasziniert der Umstand, dass diese Dreiradtaxis hier mit Erdgas, mit CNG, fahren, ebenso die Kleinbusse. Ebenso faszinierend, dass es in Agra nur drei CNG-Tankstellen gibt, was bei einer schmalen Reichweite von 100 bis 150 Kilometern immer lange Warteschlangen bedeutet. Offensichtlich macht man sich jetzt auch in Indien Gedanken zur Helmpflicht: Zumindest werden an jeder Ecke diverse Töpfe, meist aus chinesischer Fertigung, feilgeboten. Benützt werden sie freilich selten, vor allem die Frauen scheuen sich, diese Art von Kopfschmuck zu tragen. Den Fernverkehr in Indien bestreitet die Eisenbahn, den Engländern sei Dank. Bereits 1853 wurde die erste Bahnlinie in Betrieb genommen, heute sind es über 63.000 Kilometer Schiene, auf der täglich 13 Millionen Menschen transportiert werden. Viele übrigens auf dem Dach, was immer wieder zu fürchterlichen Unfällen führt. So fallen viele Menschen etwa beim Wechseln der Fahrschiene über Weichen einfach runter. Die indische Bahn schätzt übrigens, dass über 50 Prozent der Passagiere keine Fahrkarte besitzen. Vor allem in der Nacht ist es oft üblich, sich die Haltestelle selbst zu machen, einfach die Notbremse zu ziehen und in der Dunkelheit zu verschwinden. Die Bahngesellschaft ist übrigens eine der größten Einzelfirmen der Welt mit 1,5 Millionen Angestellten. Der größte Teil der Züge fährt mit Diesel (die Fahrt unter Dampf wurde vor gar nicht so langer Zeit eingestellt), aber die Elektrifizierung wird stetig vorangetrieben. Heute gibt es nur noch Vergnügungsfahrten unter Dampf, wie etwa den Toy Train in Darjeeling. Obwohl auf der Straße alles unterwegs ist – vom Ochsengespann über von Kamelen gezogene Wagen bis hin zu Fußgängern mit Karren und natürlich Radfahrer – wird der größte Teil zumindest der Kurzstrecken überwiegend mit dem motorisierten Zweirad zurückgelegt. Meistens sind es Einzylindermaschinen wie etwa die Maruti Suzuki oder die Hero Honda mit Hubräumen um die 200 Kubik. Oder es sind Roller verschiedenster Hubräume. Kein Wunder, dass KTM nun auch eine Duke 200 baut – schließlich ist der indische Rollerbauer Bajaj Teilhaber der Oberösterreicher. An jedem Bahnhof stehen hunderte der kleinen Bikes, die oft unglaubliche Lasten schleppen müssen. Pkw sind am Land noch eher die Ausnahme, doch mit dem wachsenden Mittelstand werden auch sie immer mehr. Wir landen am nächsten Tag in Jaipur, der Pink City. Sie wurde anlässlich eines Besuches von Lord Mountbatten in diese Farbe gehüllt, bis heute ist das so geblieben. Eine farbenfrohe Stadt zwischen Armut und Reichtum, mit vielen – auch sehr ärmlichen – Geschäften, aber auch mit zahlreichen Prunkbauten und Palästen. Eine der Haupteinnahmequellen ist der Schmuck, viele Edelsteine werden in den umliegenden Bergen gewonnen und hier verarbeitet. Die Stadt ist eigentlich jung, sie wurde von Jai singh II um 1728 auf dem Grund eines ausgetrockneten Sees angelegt und ist völlig durchgeplant – so gibt es etwa bis heute keine Sackgasse. Über der Stadt thront das Amber Fort, das ab 1572 über einen Zeitraum von 200 Jahren errichtet wurde. Der riesige Komplex ist eine Mischung aus Mogul- und Hindu-Style, wie viele Paläste aus dieser Zeit, und kann auch mittels Elefant erreicht werden. Die Elefanten marschieren dann nach Arbeitsschluss in die Stadt zu ihren Ställen, um gebadet und gefüttert zu werden. Nichts kann und will die Kolosse aufhalten, zumal die Mahuts hoch oben in ihren Körben schlafen. Eine Plage sind die vielen Meerkatzen, die in Horden durch die Stadt schwärmen und vor denen nichts sicher ist. Vor allem die Straßenverkäufer leiden unter den diebischen Primaten. Reine Mogul-Architektur ist der City Palace, der auch heute noch von der Familie des Maharadschas und ihm selbst bewohnt wird. Ein Teil ist allerdings ein Museum, der Audienzsaal gibt einen guten Eindruck der früheren Feudalherrschaft wieder. Im „Haus des Willkommens“ ist eine Ausstellung über die Bekleidung der Oberschicht beheimatet. Heute allerdings muss der Lebensstil verdient werden und so vermietet der Maharadscha seine Privatgemächer zuweilen für ein Galadiner. Vermutlich ist er dann nie daheim, denn dank der Inszenierungen mit traditionellen Musikern und Tänzerinnen geht es sehr laut zu. Interessant ist der danebenliegende Park Jantar Mantar: Er beherbergt ein Observatorium mit allerlei Instrumenten aus Stein wie etwa einer riesigen Sonnenuhr, die mit zwei Sekunden Genauigkeit funktioniert. |