ROLLER-TEST
SYM MAXSYM 600i ABSText: Michael Bernleitner Fotos: Michael Filippovits MEHR NETTO VOM BRUTTO?Mit einem ausgereiften und durchdachten Großroller fährt SYM in die Phalanx der etablierten Scooter-Platzhirsche![]() Der taiwanesische Hersteller SYM (Sanyang Motors) war bei Großrollern bis jetzt ein unbeschriebenes Blatt. Der Einstieg mit den Modellen Maxsym 400i und Maxsym 600i ist fast sogar fulminant, mit den aktuellen Stückzahlen stellt sich SYM auf Anhieb mit den etablierten Anbietern dieser Klasse in dieselbe Riege. Ein kleiner Hinweis: Der 34 kW (46,3 PS) starke einzylindrige Maxsym 600i mit serienmäßiger ABS-Ausstattung kostet 7190 Euro – das lenkt die Aufmerksamkeit unweigerlich auf SYM und gibt den Mitbewerbern ein bisschen zu kiefeln. Klarerweise wäre der Maxsym mit der kostspieligeren Zweizylinder-Konkurrenz nicht direkt vergleichbar, sondern lediglich mit dem hubraumkleineren Piaggio X10. Unterm Strich bleibt aber: Worauf muss man beim Maxsym gegenüber den Zweizylindern verzichten, wenn übehaupt? Beim ersten, beim zweiten und auch beim dritten Rundgang um den Maxsym gibt es kein Anzeichen, das irgendwie an Sparsamkeit oder gar an Rotstift erinnert. Ganz im Gegenteil: Sowohl die Heckleuchten als auch der Projektions-Frontscheinwerfer mit LED-Leiste sind paarig ausgeführt, das könnte man billiger machen. Wir entdecken schöne verstellbare Bremshebel, das haben bei weitem nicht alle Motorräder und ist ein klares Bekenntnis zur Oberliga. Zählen wir gleich alles auf, was positiv auffällt – beziehungsweise sogar beeindruckt. Etliche Details, die es bei anderen Maxirollern nur einmal oder gar nicht gibt, sind beim Maxsym redundant, also doppelt ausgeführt: Da stechen die beiden soliden Stoßdämpfer ins Auge, die das Sitzbank-Gepäckfach sicher offen halten; ein wacklertes Sattelscharnier gibt’s beim SYM ganz einfach nicht. Die Sitzbank selbst hat zwei hintere Einrast-Verschlüsse, je einen an der linken und an der rechten Seite. Für die Sitzbank gibt es zwei Möglichkeiten zur Entriegelung: sowohl am Zündschloss bedienbar per Seilzug als auch an der linken Lenkerarmatur, hier elektrisch per Relais. Der rutschfeste, sehr schön texturierte Sitzbankbezug ist mit rotem Zwirn zwiefach vernäht, und es gibt ein gesticktes SYM-Logo in der verstellbaren Rückenlehne – das sind Details, die sich manche Roller-Hersteller bei ihren Special Editions extra bezahlen lassen. Zusätzlich zum 12-Volt-Outlet gibt es im vorderen Mittel-Handschufach einen extra abgesicherten USB-Port zum Aufladen von elektronischen Kleingeräten. Eine im Fußraum vorne rechts handbetätigte Feststellbremse gehört in dieser Gewichtsklasse – der Maxsym hat 243 Kilo fahrfertig – eindeutig dazu. Im fein gezeichneten Gran-Turismo-Cockpit gibt es zudem sogar eine Parkbrems-Kontrollleuchte, zudem Warnlichter für ausgeklappten Seitenständer und geöffneten Gepäckraum. Unter der Sitzbank überrascht ein „geheimer“ Kippschalter für eine Wegfahrsperre, bei deren Aktivierung der Motor nicht gestartet werden kann. Erwähnenswert ist noch eine Fächerklappe im Mitteltunnel, mit der im Winter ein Teil der Motorabwärme in den Fußraum gelenkt werden kann. Die Materialqualität der Lackierungen und Oberflächen des Maxsym wirkt außerordentlich schön und erfreulich. ![]() Als einer der ersten Roller überhaupt kommt der Maxsym 600i mit radial montierten Bremszangen an den beiden vorderen 275-Millimeter-Bremsscheiben im Wave-Design – gibt’s bis jetzt nur beim Kymco MyRoad 700i, sogar Yamaha zieht erst mit der 2015er-Version des sportlichen T-Max nach. SYM sagt selbst dazu, dass die Markteinführung des Maxsym ein Prestigeprojekt der Marke ist. So, jetzt unterbrechen wir das Loblied auf den Maxsym 600i, es wird ja fast schon unheimlich. Auch in Taipeh sind Menschen am Werk, die ihre Bugs im Rollerkonzept hinterlassen: Bei aller Großzügigkeit und der Freude an Lämpchen hätte man sich darum kümmern können, dass die Kontrollleuchten im Instrumentencluster auch sichtbar sind – die Blinkwarnlampen erkennt man bei Tageslicht ganz einfach nicht. Stichwort Tourenroller: Es gibt nicht zwei Tageskilometerzähler, sondern nur einen; eine Umgebungstemperaturanzeige fehlt. Das sind Software- beziehungsweise Sensor-Lösungen, die im Groschenbereich liegen. Zur Elektro-Entriegelung des Sitzbank-Gepäckraums könnte man bemerken, dass eine Funkfernbedienung über den Zündschlüssel sehr schön wäre – das hat schon der legendäre, leider entschlafene Gilera Nexus 500 aus 2005 gehabt. Die drei Handschuhfächer im Vorbau sind nicht allzu geräumig – vor allem deswegen, weil auch die Fahrzeugbatterie hier eingebaut ist, die dadurch gut zugänglich ist. Jammern auf sehr hohem Niveau ist das. Denn in den Sitzbank-Gepäckraum passen zwei Integralhelme plus Kleinzeug. Dass das Windschild des Maxsym 600i mit dem Bordwerkzeug höhenverstellbar ist, ist eine weitere positive Eigenschaft. Zum Gesamteindruck sei noch das winzige Detail erwähnt, dass sogar Nebenschauplätze und Kleinteile wie der Verschluss des 14,2-Liter-Tanks hochwertiger wirken als bei drei Viertel aller anderen Roller. Eine fast geniale Konstruktion sind die automatisch ausklappenden Beifahrerfußrasten: Man muss das nicht händisch machen, sondern einfach mit dem Fußballen oder der Ferse von oben das Drehgelenk antippen, schwupp. Zum Einklappen genügt eine Bewegung mit dem Stiefel und sie rasten wieder ein. Das System hat genügend Potenzial, dass es sich Hersteller von anderen Luxusrollern genau anschauen und abschauen sollten. Dass bei den Dimensionen des Großrollers die Sitzbank äußerst komfortabel und geräumig ist, ist keine Überraschung. Weil das Trittbrett recht hoch ist, fällt beim Fahrer der Kniewinkel entsprechend eng aus. Es gibt aber die Möglichkeit, die Füße im Vorbau abzustützen und im Cruiserstil zu entspannen. Der Vierventilmotor macht einen sehr drehmomentstarken Eindruck, der Maxsym setzt sich leichtfüßig und druckvoll in Bewegung. Vibrationen sind kaum spürbar, lediglich am robusten Klang erkennt man die einzylindrige Bauweise. Die Werksangabe von 165 km/h Höchstgeschwindigkeit wäre im Vergleich zum stärkeren Suzuki Burgman 650 eine Sensation – die „motomobil“-Messung ergibt immerhin echte 161 km/h, bei 175 am Tacho. Ein Tacho-Hunderter sind ehrliche 91 Stundenkilometer. Als Testverbrauch genehmigte sich der Maxsym 600i im Einpersonenbetrieb zwischen 4,5 und 4,9 Liter pro hundert Kilometer. Die Grundabstimmung der Federelemente ist straff, aber ohne übertriebene Härte. Gibt es keine Störeinflüsse wie Fahrbahnwellen oder seitliche Windböen, bleibt der Maxsym auch im Bereich der Höchstgeschwindigkeit stabil, kann hier aber das Fahrwerksniveau der Top-Maxis wie BMW 600/650 und Yamaha T-Max nicht ganz erreichen. Die Bremsanlage mit den radial montierten Sätteln ist eine der mächtigsten am Rollermarkt; Druckpunkt, Dosierbarkeit und Wirkung passen auch zu sportiver Fahrweise. Auch wenn man den günstigen Preis des Maxsym 600i völlig außer Acht lässt: Der SYM-Einstieg in die Welt der Großroller ist gelungen.
![]() Gegründet im Jahr 1954 als Fahradlampenfabrik, ist die nach wie vor familiengeführte Sanyang Industry Co. (ehemals Sanyang Motors) eines der wenigen Unternehmen, das sowohl Motorräder als auch Autos erzeugt. Von 1961 bis 2002 gab es eine intensive Kooperation mit Honda. Das in Österreich importierte SYM-Programm umfasst derzeit 17 Rollermodelle von 50 bis 565 Kubik sowie die SYM XS125 als Einsteigermotorrad. In der sportlich-luxuriösen GT-Mittelklasse besonders interessant ist der neue GTS 300 Sport zum Preis von 5150,– Euro; www.sym.at
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