ROLLER-TEST
HONDA FORZA 125 – ERSTER FAHRBERICHTText: Michael Bernleitner Fotos: Zep Gori, Francesc Montero, Ula Serra LED’S ROLLBeginnen wir von vorne: Schon der markante Leuchtdiodenscheinwerfer will klar machen, dass hier der modernste Achtelliter-Scooter kommt![]() Sieht man sich die österreichischen Zulassungsstatistiken an, so scheint Honda auch bei seinen Rollern einiges richtig zu machen: SH125i und 300i, SH Mode, PCX – außer für das Ausnahmephänomen Vespa lässt Honda in den Top Ten der Charts für die Konkurrenzmarken kaum Platz. Und das, obwohl Honda noch gar nicht einmal alle Segmente der vielfältigen Rollerwelt besetzt hat. Mit dem Erscheinen des neuen Forza 125 soll sich das nun aufhören – und zwar das Offenlassen von weißen Flecken im Achtelliter-Modellprogramm. Der Forza ersetzt den 2012 aus dem Angebot genommenen S-Wing 125, der ein lupenreiner Gran-Turismo-Scooter mit gehobener Ausstattung, gehobenem Preis und gehobenen Verkaufserfolgen war. Damit aber nicht genug: Mit komfortablen GT-Qualitäten will der Forza auch eine tüchtige Portion Sportlichkeit kombinieren, ohne dass sich diese Eigenschaften gegenseitig im Weg stehen. Ein ambitioniertes Vorhaben also. Und zudem sollen noch zeitgemäße Ausstattung und spritsparende Maßnahmen kommen. Trotz aller Globalisierung und Rationalisierung kann sich der weltgrößte Zweiradhersteller bei der Planung und beim Konzept des Forza sogar einen gewissen Luxus leisten: Der Roller wurde extra für Europa entwickelt; er wird ausschließlich in Europa verkauft; er wird auch in Europa gebaut, und zwar im italienischen Honda-Werk Atessa. Dem anspruchsvollen Pendler – Honda bezeichnet ihn als gut verdienenden „City Professional“, der beim Forza-Einführungspreis von 4890 Euro natürlich kein Geizkragen ist – soll das Beste geboten werden, das derzeit im Rollerbau machbar ist. Mehr darüber lesen Sie bitte im Interview mit Forza-Projektleiter Tomokatsu Suda ab Seite 16 in dieser „motomobil“-Folge.
Ein planbares Erfolgsrezept? Der Forza 125 will schlicht und einfach das in jeder Hinsicht leistungsfähigste Angebot in der Achtelliterkategorie sein – und Honda zieht zum Erreichen des Ziels alle erdenklichen Register. Der ganz neu konstruierte, sowohl gebläse- als auch flüssiggekühlte SOHC-Vierventilmotor mit 11 kW (15 PS) Leistung hat die Leichtlaufeigenschaften der erfolgreichen, etwas schwächeren Zweiventil-eSP-Triebwerke, die in den aktuellen Modellen SH125i, PCX und SH Mode arbeiten. Die wesentlichen Zutaten für möglichst geringe innere Reibung sind nadelgelagerte Kipphebel mit Rollen zur Nockenwellen-Gleitfläche („Roller Rockers“), ballig geschliffene Kolbenbolzenlager, ein seitlicher Versatz der Zylinderlängsachse zur Kurbelwelle sowie eine stachelige Außenhaut der Zylinderlaufbuchse, die mit ihrer größeren Oberfläche mehr Hitze aus dem Verbrennungsprozess ableiten kann und damit die Motoreffizienz steigert. Der Forza besitzt die perfekt funktionierende Honda-Start-Stopp-Automatik („Idling Stop“), die bereits beim kleinsten Dreh am Gasgriff den Motor wieder voll verfügbar macht. Die Lichtmaschine fungiert dabei als Starter, deswegen fehlen die sonst üblichen Anlassgeräusche völlig. Und schließlich will Honda auch beim Wirkungsgrad der stufenlosen Keilriemenautmatik Fortschritte gemacht haben. Nach dem World-wide Motorcycle Emissions Test Cycle („WMTC“) soll sich ein Treibstoffverbrauch von 2,3 Litern auf hundert Kilometer realisieren lassen. Das ist plausibel: Bei der „motomobil“-Testfahrt, die zu einem Drittel aus Bummelei und zu zwei Dritteln aus Landstraßen- und Autobahnvollgas bestand, verbrauchte der Honda Forza 2,8 Liter – das ist für einen ausgewachsenen GT-Roller höchst beachtlich. Auf dem Datenblatt erscheinen die vollgetankt 159 Kilo des Forza nicht gerade als federgewichtig, dennoch ist er deutlich leichter als fast alle anderen Konkurrenzmodelle, vom ungefähr gleich schweren und ebenfalls mit ABS ausgestatteten Suzuki Burgman 125 abgesehen. Die automatische Fliehkraftkupplung und die Variomatik sind hervorragend abgestimmt. Man bekommt es nicht vor lauter Beschleunigung mit der Angst zu tun, aber der „Spritsparmotor“ wirkt ungeplagt und ist der Beweis dafür, dass man auch mit 11 kW (15 PS) eine Freude haben kann. Die Höchstgeschwindigkeit ist mit 106 km/h sehr ordentlich für einen Achtelliterroller. Auf einem Bergab-Autobahnstück zeigte der Tacho 130 Stundenkilometer, das sind immer noch echte 123 km/h. Genauso unkompliziert und kultiviert wie der Motor, so praktisch und dienstbar verhält sich der Forza insgesamt. Bei 780 Millimeter Sitzhöhe hat man guten Bodenkontakt und Sicherheit beim Stehenbleiben und Rangieren; die Platzverhältnisse im Fuß-, Knie- und Sitzbereich sind auch für Fahrer mit deutlich über einmeterachtzig Größe reichlich bemessen; die angenehm konturierte Sitzbank zwingt einem keine vorgegebene Sitzposition auf, sondern lässt genug Spielraum für entspannte Fahrhaltung zu. Das höhenverstellbare Windschild ist eine Forza-Feinheit, die absolut konkurrenzlos ist: Ohne Werkzeug lässt es sich mit nur einem Handgriff über einen Bereich von zwölf Zentimetern in sechs Positionen verstellen.
Die Bereifung in der Dimension 15 Zoll vorne und 14 Zoll hinten könnte als Kompromiss gesehen werden, in der praktischen Umsetzung ist sie aber eine hervorragende Möglichkeit, die Kurvenpräzision und den Abrollkomfort eines Großradrollers mit der Handlichkeit eines kleinen Cityflitzers zu verbinden. Das ist gut gelungen – trotz seiner imposanten optischen Erscheinung folgt der Forza bereits den Gedanken des Fahrers, Schräglagenwechsel und Linienkorrekturen sind kinderleicht. Dass das Fahrwerk in Tunnelbauweise stabil ist und auch genügend Schräglagenfreiheit mitbringt, haben wir bei einem neuen Honda-Roller jetzt einmal erwartet. Die wirksame und unaufgeregt zu dosierende Bremsanlage passt ins hamonische Gesamtbild; das Zweikreis-ABS kommt sportlich-spät in den Regelbereich, somit lassen sich zum Beispiel beim harten Anbremsen von Kurven enorme Verzögerungen verwirklichen. Noch einige größere und kleinere Forza-Details: Zu den wahrlich großen Angelegenheiten gehört der üppige Gepäckraum unter der (per Kippschalter neben dem Zündschloss) fernentriegelbaren Sitzbank. Nicht nur das stattliche Fassungsvermögen von 48 Liter überzeugt, zudem ist er nahezu perfekt quaderförmig und damit bestens befüllbar und nutzbar. Es passen zwei Integralhelme plus Kleinkram hinein, außerdem lässt sich ein „Separator“ in mehreren Positionen fixieren, damit der Inhalt nicht herumkullert oder rumort. Diskrete Seitenablagen gibt es für das Bordwerkzeug und für die Fahrzeugpapiere/Gebrauchsanweisung. Gäbe es noch ein oder zwei zusätzliche Helmhaken für Eventualitäten oder die Urlaubsreise, wäre es das grenzenlose Rollerglück.
Im trinkflaschengroßen, versperrbaren Handschuhfach links vorne finden wir ein 12-Volt-Outlet im Zigarettenanzünderformat, das tief genug liegt, um einen handelsüblichen Adapter mit USB-Anschluss aufzunehmen. Wie bei Rollerkonzepten mit Mitteltunnel üblich, gibt es im Vorbau des Forza keinen Gepäckhaken – was hinterfragbar ist, denn ein Gepäckhaken ist bei keinem Roller etwas Falsches. Die gut platzierten, verkleidungsmontierten Rückspiegel sind einklappbar; an der Kinematik des Hauptständers fällt auf, dass der 159-Kilo-Roller völlig mühelos aufgebockt werden kann; schließlich soll auch das gelungene Digitaldisplay des umfangreichen GT-Cockpits erwähnt sein – es wird nämlich bei direkter Sonneneinstrahlung sogar noch kontrastreicher und besser ablesbar als in gedämpftem Licht. ![]() Besonders die Farbvariante in Bronze/Schwarz
(Bildmitte) sieht sehr nobel aus Jetzt zum guten Ende: Nach dem 2014er-PCX ist der Forza der nächste Honda-Roller, dessen Beleuchtung komplett mit stromsparender LED-Technik ausgestattet wurde, von den Scheinwerfern bis zur Kennzeichenbeleuchtung. Er soll schließlich das Beste vom Besten in der Achtelliterklasse bieten.
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