ROLLER-TEST
HONDA INTEGRA 750Text: Peter Schönlaub Fotos: Zep Gori, Francesc Montero, Felix Romero GUTE BESSERUNGSchlaue Aufwertung bei Hondas einmaligem Roller-Motorrad: Nach zwei Jahren am Markt gibt es für 2014 mehr Sitzkomfort und einen größeren Motor, der die Arbeit des automatischen Doppelkupplungsgetriebes deutlich erleichtert![]() Vor zwei Jahren war die Präsentation des Honda Integra 700 ein Paukenschlag: die Zusammenführung von Motorrad und Roller in einem neuartigen Crossover-Konzept. Rund 7000 Stück haben die Japaner davon in den ersten beiden Saisonen verkauft, die Mehrzahl davon übrigens in Italien. Um auch den Rest Europas mit der innovativen Idee zu missionieren, bekam der Integra – unüblich rasch für Honda-Verhältnisse – ein Erfrischungsprogramm verpasst. Dieses Round-up wirkt auf den ersten Blick ein wenig zaghaft: Dezente optische Retuschen und marginale funktionelle Verbesserungen treffen auf einen vergrößerten Motor, dessen Leistung um 2,2 kW (3 PS) auf 40,3 KW (55 PS) angehoben wurde. Erst ein zweiter, genauer Blick und eine längere Ausfahrt zeigen, dass hier mehr dahinter steckt: ein gezielter Feinschliff, der punktgenau an den wenigen Kritikpunkten des Integra ansetzt und viele angenehme Effekte zeitigt. Der vielleicht wichtigste Punkt in praktischer Hinsicht: Durch eine veränderte Gestaltung der Frontverkleidung erhält der Fahrer acht Zentimeter mehr Kniefreiheit; damit wird der Integra 750 auch für groß gewachsene Nordländer zur überlegenswerten Alternative. Parallel dazu verbreiterte Honda die Trittbretter, vor allem im hinteren Bereich. Und damit auch die Kleinen etwas vom Update haben, wurde der Sattel bei unveränderter Sitzhöhe um 40 Millimeter schmäler geschnitten: So erreicht man leichter den Boden und hat einen sicheren Stand. Die klugen funktionellen Updates umfassen außerdem die nun sechsfach verstellbaren Bremshebel sowie ein paar zusätzliche Informationen über den Spritverbrauch. Die digitale Info-Zentrale gibt jetzt über Momentan- und Durchschnittsverbrauch sowie die verbrauchte Spritmenge Auskunft. In stilistischer Hinsicht gab es tatsächlich nur minimale Anpassungen: Die Frontverkleidung ist stärker konturiert, während die Seitendeckel geglättet wurden. Da fallen die neuen Farben stärker ins Auge: Neben Silber und Rot ist der Integra heuer in zwei Special Editions mit jeweils goldenen Felgen erhältlich: einmal mit sportlicher Tricolore-Lackierung, einmal in coolem Mattschwarz. Nach Beendigung des Rundgangs ist es an der Zeit, unter das Kleid zu blicken. Dort finden sich nämlich einige ganz entscheidende Neuerungen. Zunächst die Schwinge, die nun aus Alu statt aus Stahl gefertigt wird. Das sieht hübsch aus, spart zwei Kilo, verbessert damit die Gewichtsverteilung und aufgrund der geringeren ungefederten Massen auch ein wenig den Fahrkomfort. So, und jetzt endlich der Motor: Vier Millimeter mehr Bohrung machen aus einem 670- einen 745-Kubikzentimeter-Paralleltwin. Dass die Leistung, wie erwähnt, nur um drei auf 55 PS gestiegen ist, mag enttäuschen. Dafür tröstet die Entwicklung des Drehmoments, das von 62 auf 68 Newtonmeter angewachsen ist und die bulligere Kraftentfaltung vom ersten Meter an spürbar macht. Zusätzlich zur Hubraumvergrößerung zog eine zweite Ausgleichswelle ins Motorgehäuse ein. Sie minimiert die bösen Vibrationen und soll im Gegenzug dafür sorgen, dass die guten – also das Pulsieren, das Herzklopfen – besser zum Fahrer vordringen. Kurze Erinnerung: Der um 62 Grad nach vorne geneigte SOHC-Achtventil-Zweizylinder besitzt einen Hubzapfenversatz von 270 Grad, womit die Zündfolge und die Charakteristik eines V2-Motors imitiert wird. Ein innen neu gestalteter Schalldämpfer hilft dabei, Sound und Feeling sind deutlich sinnlicher als bisher. Das gestiegene motorische Potenzial hat zudem Auswirkungen auf die Wirkungsweise des DCT, des Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebes. Dessen Software wurde in einigen Bereichen neu programmiert, was deutliche Auswirkungen aufs Fahren hat: • Weil der Motor ein höheres Drehmoment zur Verfügung hat, bewirkt ein Öffnen des Gashebels nicht sofort ein Herunterschalten – man blubbert also aus dem Drehzahlkeller nach oben. Erst ein sehr starkes, fast vollständiges Aufreißen des Gasgriffs erzeugt im Automatikmodus einen Kickdown-Effekt. • Umgekehrt reagiert das System nun schneller auf Gas-Wegnehmen oder eingeleitete Bremsmanöver und legt rascher niedrigere Gänge ein. Damit lässt sich die motorische Bremswirkung angenehmer nützen. • Der zivilen Automatikstufe „D“ wurde Intelligenz eingepflanzt, sprich: Sie lernt vom Verhalten des Fahrers und passt sich seiner Fahrweise an. Zieht man heftig am Kabel, dann werden die Gänge höher ausgedreht und DCT bleibt länger im niedrigen Gang. Geht man’s wieder ruhiger an, bevorzugt auch das DCT wieder kommode Drehzahlen. • Bei sehr langsamen Geschwindigkeiten (etwa zehn Stundenkilometer) ist das Gesamtsystem jetzt noch geschmeidiger. Wichtig für den Stop-and-go-Verkehr. Zu guter Letzt wurde aufgrund der höheren Motorleistung auch eine längere Endübersetzung möglich. In den unteren Gängen um sechs Prozent, im höchsten Gang immer noch um drei Prozent. Dadurch sinkt der Normverbrauch von ohnehin extrem braven 3,58 Liter weiter auf 3,46 Liter pro hundert Kilometer. Eine erste Ausfahrt soll klären, ob all diese Feinheiten merklich, sinnvoll und rund sind. Wir können es gleich vorweg nehmen: Der hohe Aufwand im Detail hat sich gelohnt. Ohne den Charakter des Integra in seinen Grundzügen zu verändern, machen die Änderungen aus dem Roller-Bike einen noch freundlicheren Lebensabschnittsbegleiter. Vor allem das Investment in die Antriebseinheit führt zu einem relaxteren Umgang. Weil viele Schaltvorgänge eingespart werden können, surft man weitaus entspannter auf der nun höheren Welle des Drehmoments. Und obwohl der Integra schon bislang selten die höheren Drehzahlen bemühen musste, führt die längere Endübersetzung zu einem noch gepflegteren Cruising auf der Autobahn. Aber das Leben besteht ja zum Glück nicht nur aus Gleitpassagen. Wenn zwischendurch der Hafer sticht und eine flottere Etappe zu absolvieren ist, wird man den stärkeren Motor und das schneller reagierende DCT ebenfalls ins Herz schließen. Nach wie vor steht dafür der S-Modus der Automatikfunktion zur Verfügung – oder man entscheidet sich fürs vollständig manuelle Wechseln der Gänge via Zeigefinger und Daumen der linken Hand. Bei solchen sportlichen Zwischensprints kann der Integra weiterhin seine bekannten Stärken ausspielen: die Stabilität der 17-Zoll-Räder; die Sensibilität der Schwinge, die von keinem Triebsatz beeinträchtigt wird; und die Combined-ABS-Bremserei aus der Motorradwelt weicht 2014 in allen NC-Modellen einem gut abgestimmten Zweikreis-ABS. Umgekehrt kann Hondas Crossover mit fast allen Meriten der Rollerwelt dienen: Sehr gutem Wind- und Wetterschutz sowie dem Komfort eines Automatikgetriebes. Ein fehlender Durchstieg und ein nach wie vor sehr kleines Fach unter dem Sitz sind allerdings weiterhin Kompromisse, die das unübliche Konzept den Ingenieuren und uns Nutzern auferlegt – eine überaus kleine Trübung, angesichts der vielen Verbesserungen und des nochmals eleganteren Fahrverhaltens. Dass der Preis für das deutlich rundere Gesamtpaket lediglich um zwei Hunderter auf 9990 Euro angehoben wurde, passt angenehm ins Bild.
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