ROLLER-TEST
SUZUKI AN 650 BURGMAN L3 ABS EXECUTIVEFotos: Michael Filippovits
FULL DRESSERDes Burgmans neue Kleider – und auch seine innere Verjüngung. Der Luxus ist hier fast schon Selbstverständlichkeit![]() Wenn Suzuki ein neues Modell des in seiner mehr als zehnjährigen Bauzeit kaum veränderten Burgman 650 auf die Straßen schickt, so ist das für die Maxiroller-Szene eindeutig ein Großereignis. Im wahrsten Sinn des Wortes, mit 277 Kilo vollgetankt. Es hat sich viel getan, es gibt mittlerweile viel Auswahl: Mit der Ankunft von Honda SW-T600, dem Kymco 700 und der vielbeachteten (und auch -gekauften) BMW C-Serie ist das Angebot an Reiserollern sowohl dicht als auch gut geworden. Zudem zeigen neue Konzepte wie der Honda Integra 700, dass in der Roller-Idee noch viel Potenzial schlummert, und ein Knüller wie der Yamaha T-Max 530 beweist eindrucksvoll, dass ein großer Scooter Fahrwerksqualitäten wie ein hochwertiges Sportmotorrad mitbringen kann. Weiters gibt’s dann noch den martialischen Aprilia SRV 850, mit viel Drehmoment und Leistung. Und schließlich darf man den neuen Piaggio X10 500 nicht vergessen, der enorme Tourentauglichkeit zum freundlichen Preis offeriert. Der Suzuki Burgman musste sich also einmal erneuern, die Zeit lässt sich nicht aufhalten. Hat sich das Warten gelohnt? Grundsätzlich gibt es ja am „alten“ Modell nicht viel zu bemängeln, eigentlich fallen einem da überhaupt nur zwei Punkte ein: Das digital überfrachtete Cockpit sah schon reichlich unmodern aus, das wäre somit ein rein kosmetischer Punkt; und bei hohen Kurvengeschwindigkeiten und Fahrbahnwellen konnte es durchaus passieren, dass der mächtige Tourenroller ins Schlingern gerät. Im Jahr 2001 durfte man das vor allem wegen der Vorreiter-Rolle des Burgman tolerieren – über zehn Jahre später gehört so etwas ganz eindeutig abgestellt.
Dass sich fahrwerksmäßig etwas getan hat, merkt man bereits nach den ersten Metern – der neue Burgman fühlt sich straffer an, mit direkterem und transparenterem Kontaktgefühl zur Fahrbahn. Weil die Rahmenkonstruktion grundsätzlich gleich geblieben ist, steckt die gekonnte Feinarbeit im Detail. Man hat nicht ganz einfach härtere Federn hineingesteckt, denn die Sensibilität und der Fahrkomfort sind mindestens so hoch wie beim Vorläufer. Dazu kommt sicheres und harmonisches Schräglagengefühl, auch das beträchtliche Fahrzeuggewicht steht der Kurvenfreudigkeit nicht im mindesten im Weg.Wir werden jetzt nicht die Spannung ins Unerträgliche steigern, sondern ganz einfach die Auflösung verkünden: Beide Kritikpunkte sind weg, futsch. Es gibt nichts mehr zu nörgeln. Oder fast nichts? Wenn überhaupt, dann auf sehr hohem Niveau. Mit dem neuen, sehr übersichtlichen und gefälligen Instrumentencluster hat Suzuki dem Burgman durchaus ein bisschen von seiner Identität genommen – die gleich aufgebaute Armaturenlandschaft befindet sich mittlerweile in fast allen Großrollern, lediglich BMW und Yamaha sind ein bisschen individualistischer designt, und im Integra verwendet Honda nach dem kostengünstigen Gleichteile-Prinzip die Instrumente der verwandten NC-Baureihe. Die Modellpflege scheint gelungen – nach dem „motomobil“-Dauertest des Burgman in der heurigen Saison werden wir auch wissen, wie sich die L3-Generation auf langen schnellen Autobahnetappen verhält. Die bisher schon erfreuliche und fein dosierbare Bremsanlage wurde noch leistungsfähiger. Die Scheiben sind jetzt schwimmend gelagert, beim ABS wechselte Suzuki von Nissin zur neuesten, nur halb so schweren Generation von Bosch. Die Motorleistung des DOHC-Achtventil-Zweizylinders bleibt wie bisher bei 41 kW (56 PS); viele Motorbestandteile inklusive Kupplung wurden überarbeitet, um die innere Reibung und somit den Treibstoffverbrauch zu senken. Suzuki verspricht um 15 Prozent geringeren Spritkonsum – während der Einfahrzeit des „motomobil“-Testrollers kamen wir bei recht besonnener Fahrweise auf 4,7 Liter pro 100 Kilometer, und man darf gespannt sein, ob sich der gute Wert auch später bei eiligerem Tempo bestätigen wird. Das Vorgängermodell nahm zwischen 4,6 und 5,4 Liter zu sich. Das aufgefrischte Suzuki-Triebwerk läuft auffallend geschmeidig und vibrationsfrei. Mit dem E-CVT ist wieder eine willkommene Suzuki-Besonderheit mit an Bord: Durch elektrische Stellmotoren an den Variomatik-Scheiben kann die Automatik sechs verschiedene Gangabstufungen simulieren. Man schaltet entweder per Knopfdruck à la Tiptronic, wobei angenehmerweise beim Langsamerwerden die jeweils passenden niedrigeren Gänge automatisch „eingelegt“ werden oder man überlässt die Arbeit den beiden Automatik-Modi. Im Power-Modus ist das Drehzahlniveau um zirka 1500 Umdrehungen höher als im Öko-Modus („Drive“), und die Beschleunigung ist entsprechend spontaner und durchaus vehement. Die starke Motorbremswirkung in dieser Betriebsart ist bei einem Roller besonders bei kleinen Geschwindigkeiten etwas gewöhnungsbedürftig. Die subjektive Vermutung, dass die Spreizung zwischen „Power“ und „Drive“ im L3-Burgman jetzt größer ist als im alten Modell, bestätigt sich beim Studium von zeitgenössischer Fachliteratur: Damals wurde der Drehzahlunterschied zwischen den beiden Möglichkeiten meistens mit nur etwa 1000 Touren beziffert. Die Vermutung liegt nahe, dass Suzuki zu Gunsten guter Verbrauchswerte den Öko-Modus nun noch etwas zahmer ausgelegt hat. Das grüne Eco-Lämpchen im Cockpit, das den Fahrer zu spritsparender Fahrweise ermuntern soll, ist in der Praxis kaum hilfreich: Es leuchtet vorwiegend dann auf, wenn man den Gasgriff zudreht – das ist gewissermaßen der berühmte No-na-Effekt. Unterm Strich erscheint die neue Abstimmung sehr praxisgerecht: Man kann entweder eine sehr entspannte Betriebsart wählen, wo aus dem Hubraum dennoch genügend Kraft geschöpft wird, oder eine richtig sportliche, dynamische Gangart.
Das Antlitz des neuen Burgman wirkt flüssiger und windschlüpfriger designt, teilweise sind die Dimensionen auch wirklich etwas zarter: So sind die elektrisch einklappbaren Rückspiegel schmäler und sie sind auch etwas tiefer angesetzt. Ob sie als angenehme Zusatzfunktion auch so guten Wetterschutz bieten können wie die früheren voluminösen Bauteile, wird die erste längere Regenfahrt zeigen. Der Verstellbereich der elektrischen Windschutzscheibe erscheint etwas geringer als früher, das mag jedoch eine Mystifikation sein: Beim Nachmessen ergeben sich ganze 90 Millimeter, der E-Motor arbeitet jetzt aber deutlich schneller und nahezu lautlos, dadurch ist die Zeitspanne zwischen unterster und oberster Stellung sehr kurz. Der Burgman ist in Österreich ausschließlich in der Executive-Version erhältlich, daher sind Griff- und Sitzbankheizung sowie die Sozius-Rückenlehne ebenfalls serienmäßig. Mit dem richtigen Handgriff kann die Fahrer-Rückenlehne ohne Werkzeug über einen deutlichen Bereich verstellt und somit die Sitzplatz-Aufteilung angepasst werden. Dass die Feststellbremse jetzt nicht im Vorbau, sondern seitlich unter dem Fahrersitz angeordnet ist, eröffnet in der Praxis weder Vor- noch Nachteile, der Seilzug zur hinteren Bremszange wird dadurch kürzer. Zu den klassischen touristischen Stärken des großen Burgman zählt das üppige Stauraumangebot, wobei man sich den Öffnungswinkel der klappbaren Sitzbank etwas größer als die angebotenen knapp 45 Grad wünschen würde. Dafür bekommt man ein praktisches integriertes Seilschloss für die zusätzliche Außenanbringung eines Helmes. In der Frontpartie gibt’s wie gehabt zwei unversperrbare Handschuhfächer und ein versperrbares Mittelfach, das auch das 12-Volt-Outlet beherbergt. Suzuki hat beim neuen Burgman genau dort angesetzt, wo es leichte Kritikpunkte gab und hat auch den Gesamtauftritt modernisiert. Die vielen Besitzer des Vormodells werden dadurch nicht unmittelbar in Verzweiflung gestürzt oder vor dringenden Handlungsbedarf gestellt – aber die L3-Generation ist wieder am aktuellen Stand und gehört unter den großen Reiserollern zur engsten Auswahl. Intensiv-Tourentest in der „motomobil“-Folge 013!
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