ROLLER-TEST
APRILIA SR MAX 300Text & Fotos: M. Bernleitner NACHGESCHÄRFTAprilias Mittelklasse-Sportroller ist zwar nicht brandneu, bietet aber mehr denn je eines der besten Preis-Leistung-Verhältnisse am Zweiradmarkt![]() Mit dem 2011 vorgestellten Aprilia SR Max 300 begann Piaggio, die Markenvielfalt im eigenen Haus neu zu organisieren und die sportlichen Roller vermehrt unter dem Dach von Aprilia zu versammeln. Immerhin ist das auch die Konzernmarke, die in der wirklichen Sportwelt die größten Erfolge zu verzeichnen hat. 2012 wurde die eingeschlagene Richtung mit dem imposanten Megascooter Aprilia SRV 850 fortgesetzt. Ein beabsichtigter und durchaus gelungener Imagetransfer. Denn ursprünglich erblickten beide Fahrzeuge als Gilera – als Nexus 300 beziehungsweise als GP800 – das Licht der Welt. Plastische Chirurgie wäre beim SR Max bei weitem zuviel gesagt, aber Aprilia zieht das Register der Handwerkskunst und verpasst dem Neustarter konturierte und schärfere Graphics, eine Zweifarben-Sitzbank sowie da und dort etwas veredelte Oberflächen. Fertig, das reicht – denn die technische Basis des mittlerweile aus dem Piaggio-Programm verschwundenen Gilera Nexus 300 ist hervorragend und in dieser Leistungs- und Preisklasse kaum zu verbessern. Der SR Max verbindet die Performance und die Wirtschaftlichkeit der 300er-Klasse mit der Geräumigkeit und den Fahrwerksqualitäten von weit hubraumgrößeren und teureren Sportrollern. Eine direkte Gegenüberstellung zum Beispiel mit dem neuen BMW C 600 Sport zeigt, dass etwa die Sitzbank- und Verkleidungsdimensionen fast identisch sind. Die gleiche Karosserie und das Fahrwerk beherbergten als Nexus 500 auch bereits den Piaggio-460-Kubik-Einzylinder mit knapp 30 kW (40 PS) Leistung – das hochstabile Chassis mit seiner 35-Millimeter-Telegabel lässt sich also von den 16,1 kW (22 PS) des SR Max in keiner Situation aus der Reserve locken. Der 278-Kubik-Vierventiler wiederum ist für souveräne Ampelstarts und für einigermaßen autobahntaugliche Höchstgeschwindigkeit zuständig – 123 Stundenkilometer, wobei der Aprilia-Tacho ein rechter Geschichtenerzähler ist: Er zeigt dabei deutlich über 140 km/h an; 100 km/h am Display entsprechen gefahrenen 84 km/h. Auch hier also eine kleine Sportkosmetik, die die wahren Qualitäten nicht beeinträchtigt. Zu diesen Qualitäten zählt eindeutig der Treibstoffverbrauch: Im „motomobil“-Test kamen wir trotz des Fahrzeuggewichts von 188 Kilo vollgetankt auf Werte zwischen 3,2 und 3,6 Liter – das ist kaum mehr als bei vielen 125ern. Die vordere 260-Millimeter-Scheibe mit Doppelkolbensattel ist keine Zweifingerbremse, sondern verlangt die ganze Hand. Dafür sind Wirkung und Dosierbarkeit äußerst anständig. Zusammen mit der stabilitätsfördernden Reifendimension (15 Zoll vorne und 14 Zoll hinten) verträgt der SR Max harte und präzise Bremsmanöver, auch vor Bergab-Spitzkehren gibt’s kein Herumeiern wie auf manchen Kleinradrollern. Der 1515-Millimeter-Radstand und das recht gehaltvolle Fahrzeuggewicht sind für engagiertes Kurvenfahren keine Spielverderber. Es gibt nicht viele Roller, die so viel Fahrspaß bereiten können wie der Aprilia SR Max 300 – und wenn, dann sind sie meistens noch schwerer und kosten mehr als das Doppelte. Ausstattungsmäßig verfügt der SR Max über ein überkomplettes Cockpit samt Drehzalmesser; über einen Mode-Knopf an der rechten Lenkerarmatur kann man die Infos des Bordcomputers abrufen, darunter Bordspannung, Durchschnittstempo, maximale Geschwindigkeit und Verbrauch. Die klare Windschutzscheibe ist nicht völlig, aber leidlich verzerrungsfrei und sie kann manuell in drei Positionen höhenverstellt werden. Die mittlere Position ist ein guter Kompromiss zwischen Wind-/Wetterschutz und dem Gefühl, noch an der frischen Luft zu sein. Die seitlich an der Frontschürze befestigten Wind-Deflektoren sind eine weitere Verbesserung des Fahrerschutzes. Neben dem „normalen“ Trittbrett gibt es eine schräge Abstellfläche, wo man die Füße im Cruiser-Stil absetzen kann. Serienmäßig ist der Mittelklasse-Aprilia sowohl mit Haupt- als auch mit Seitenständer ausgestattet. In den Sitzbank-Gepäckraum passt ein Integralhelm plus weitere Ausrüstung, bei eingelegtem Helm muss der Sattel über die letzten paar Millimeter zugedrückt werden. Im Heck des Stauraums gibt’s gut zugänglich eine 12-Volt-Steckdose, die Batterieabdeckung und den Sicherungskasten. Ein Handschuhfach findet man in der linken Vorderpartie, eine spiegelbildliche Klappe auf der rechten Seite deckt den Einfüllstutzen für die Kühlflüssigkeit ab. Eine Dreingabe der ursprünglichen Konzeption als Halbliter-Scooter ist das 15,5-Liter-Treibstoffbehältnis im Mitteltunnel, dadurch sind zusammen mit dem zurückhaltenden Spritkonsum enorme Reichweiten möglich. Mit 4680 Euro Listenpreis ist der SR Max im Vergleich mit anderen Marken-300ern sehr attraktiv angesiedelt, umso erfreulicher ist die durchgängig feine Verarbeitung: Die schwarzen Verkleidungsteile weisen einen im Sonnenlicht dezent glitzernden Metallic-Lack auf; der gediegene Tankverschluss könnte einem Supersportmotorrad gut anstehen; der Hinterradkotflügel hat eine hübsche Carbon-Optik; auch die gummibesetzten Beifahrerfußrasten machen hochwertigen Eindruck. Wer die Qualitäten eines Sportrollers sucht, aber nicht das viele Geld für einen Maxi mit 530, 600, 650 oder noch mehr Kubik ausgeben kann oder will, für den ist der Aprilia SR Max 300 eine verlockende Alternative.
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