ROLLER-TEST
PIAGGIO MP3 LT 300/300 HYBRIDText: Armin Farkas, M. Bernleitner Fotos: Milagro SCOOTER 2.0Roller-Riese Piaggio präsentiert die Dreiräder der Neuzeit. Die MP3-Serie ist mittlerweile beträchtlich gewachsen – hier ein kleiner Leitfaden![]() Im Jahr 2006 kam Piaggio mit der wohl größten Roller-Innovation seit der Erfindung der Fliehkraftkupplung auf den Markt. Der MP3 ist zwar ein Dreirad, aber ganz und gar nicht im klassischen Sinn. Er hat vorne zwei Räder und unterscheidet sich ab dem Lenkkopf nicht von einem herkömmlichen Roller. Der Clou aber sind die beweglichen Achsschenkel vorne, die eine vernünftige Kurvenfahrt inklusive Schräglage möglich machen. Viel mehr noch, man kann den MP3 fahren wie ein ganz normales Zweirad – mit dem Unterschied, dass er stabiler liegt und besser bremst. Besonders in der Großstadt, wo es jede Menge Kanaldeckel, Straßenbahnschienen und Kopfsteinpflaster gibt, liegen die Vorteile des Konzepts deutlich auf der Hand. Auf dem MP3 stellt sich schnell eine gewisse Sorglosigkeit ein, als Motorradfahrer fährt man auch auf schlechtem Asphalt schnell Schräglagen bis der Hauptständer streift. Die Schräglagenfreiheit zu begrenzen scheint auch dessen primäre Aufgabe zu sein, denn dank der Sperrfunktion der Achsschenkel steht das Dreirad auch auf extrem unebenem Terrain ganz ohne Ständer. Seit 2008 ist der MP3 zudem als LT-Version erhältlich: Mit etwas breiterer Spur, außen montierten Blinkern und einer Fußbremse darf man den schnittigen Italiener auch fahren, wenn man „nur" einen B-Schein besitzt – schließlich ist er ja mehrspurig und stellt somit eine der seltenen Möglichkeiten dar, ein „Motorrad" über 125 Kubik zu fahren, ohne den A-Schein absolvieren zu müssen. Auf Österreichs Straßen ist der unverwechselbare Scooter noch Seltenheit. In anderen Städten Europas ist man deutlich aufgeschlossener – Paris, Mailand oder Rom sind wahre MP3-Hochburgen. Kein Wunder, wenn man bei Piaggio quasi am laufenden Band Neuheiten zeigt. So etwa das Hubraum-Upgrade beim bisherigen 250er, der jetzt mit 300 Kubik an den Start geht. Eine durch und durch sinnvolle Maßnahme, vor allem die Dynamik aus dem Stand verbessert sich damit stark. Die knapp 23 PS reichen auch auf der Stadtautobahn noch für selbstbewusste Überholmanöver. Wenn es ein bisschen mehr sein darf, bietet sich ohnehin der bekannte 400er an, hier sorgen dann 34 PS und bullige 37 Newtonmeter Drehmoment für entsprechenden Vortrieb. Neu ist auch die LT-Sportversion, die mit einigen Designschmankerln aufwartet, welche die Dynamik des Fahrzeugs unterstreichen sollen. Technisch unterscheidet sie sich nicht von der normalen LT-Version und ist natürlich auch mit dem B-Schein zu fahren. Das Aufsehen erregendste neue Modell ist allerdings eindeutig der 300 i.e. Hybrid, der die umweltfreundliche Palette nach dem 125er-Hybrid nach oben abrundet: Es handelt sich um einen „Plug-in", der bis zu einer Geschwindigkeit von zirka 30 Stundenkilometer rein elektrisch fahren kann. Der Akku wird entweder durch einen Stecker unter der Sitzbank oder – im sogenannten „Charge Modus" – durch den Motor geladen. Neben diesem (einfach am Lenker einzustellenden) Betriebszustand gibt es noch den „Hybrid Power Mode", in dem Benzin- und Elektromotor zusammenwirken, sowie den bereits erwähnten „reinen" Elektromodus für geräusch- und emissionslose Fortbewegung. In Österreich sind Zero-Emission-Zonen kein alltägliches Thema – aber die Zeiten ändern sich ... Bei vollem Akku kann man jedenfalls etwa 20 Kilometer völlig ohne Verbrennungsmotor dahingleiten. Nach kurzer Einweisung gibt es keine offenen Fragen mehr, das Umschalten zwischen den verschiedenen Modi funktioniert tadellos und ist auch während der Fahrt kein Problem. Als nettes Extra-Gadget gibt's beim Hybrid auch einen elektrischen Rückwärtsgang, den man mit gesperrten Achsschenkeln anwählen kann. So kann man, inklusive Lkw-Piepsen, elegant retour einparken, ohne auch nur einen Fuß vom Trittbrett zu nehmen. Die Hybridversion wird Anfang 2011 erhältlich sein, der Preis soll etwas über 8500 Euro betragen. Gute, geräumige Lenker-Ergonomie; perfekter Rückblick durch die Spiegel; schöner und informativer Instrumentencluster, wobei aber ein (bei Piaggio seit dem Gilera Nexus 500 aus 2004 bekannter) Bordcomputer nicht realisiert wurde. Ist man an „normales" Rollerfahren gewöhnt, bleibt man beim Bedienen der Hinterradbremse per linkem Handhebel: ist viel besser zu dosieren als das gesetzlich aufgezwungene Fußbremspedal. Die Motorleistung wird etwas niedriger als in der Hybridversion angegeben: Mit 16,5 kW (22,5 PS) und 236 Kilo fahrfertig ergibt sich eine Performance, die in der einspurigen Rollerwelt ungefähr der eines Viertakt-200ers entspricht. Also alles andere als brutal, aber deutlich lebensfroher als ein 125er. Der Praxisverbrauch von 4,5 Liter pro 100 Kilometer ist für das MP3-Konzept sehr ok; noch immer gilt der Einführungspreis von 7499 Euro.
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