E-ROLLER-TEST
WAV-ES V-30
Text & Fotos: M. Bernleitner FLACH SPIELENEin Praxisversuch, wie weit man mit günstiger Einsteiger-Elektrik kommt![]() Der kleine knuddelige E-Roller kommt Ihnen vielleicht bekannt vor? Mehrmals elektrisch und vorher schon als Benzinscooter ist er bereits aufgetreten? Richtig. Wir haben es hier mit einer der Spezialitäten der volkrepublikanischen Rollerproduktion zu tun: Die zahllosen Erzeuger lieben es, die in China am freien Markt erhältlichen Teile wie Karosserien, Motoren, Elektronik und Batterien immer wieder frisch abzumischen. Beziehungsweise auf den Kundenwunsch oder aufs Geldbörsel abzustimmen. Und so kommt es eben vor, dass ein Roller, der genauso aussieht wie der „el-X", nur dessen Maske hat und in Wahrheit der „el-Y" oder ein „el-Z" ist ... Im vorliegenden Fall kommt die bewährte Karosserie als WAV-ES V-30 mit 1,2-kW-Hinterradnabenmotor und Silizium-Gel-Batterie mit 1200 Wattstunden Kapazität als Budget-Angebot um 1790 Euro. Versicherungstechnisch gilt der V-30 damit als Äquivalent zur zweisitzigen Mopedklasse. Die Marke WAV-ES bereichert die beliebten E-Wortspielereien um „Watt-Ampere-Volt-Electric-Scooter". Alles klar? Wir übernehmen den V-30 vom Wiener Rollerkabinett, wo man mittlerweile einige Elektroerfahrung hat. Hier wird erst gar nicht viel riskiert, sondern jeder China-Scooter wird einer gründlichen Auslieferungsinspektion unterzogen, die gleich mehrere Stunden dauert und zum Ziel hat, dass der Käufer als zufriedener Kunde erhalten bleibt. Wie bei preisgünstigen Elektroscootern mit einfacher Regelelektronik weit verbreitet, macht auch der Motor des V-30 beim Anfahren kleine Knarrgeräusche und ist nicht gänzlich ruckfrei. Aus dem Stand bis zum Tempo von 10, 15 Stundenkilometern ist die Beschleunigung zurückhaltend, aber darüber weht bis zur Höchstgeschwindigkeit ein recht frisches Lüfterl und man würde sogar mehr als 1,6 PS vermuten – hier setzt sich das plateauförmige elektrische Drehmoment durch. Im dichten Stadtverkehr schwimmt man rechtschaffen mit, wobei die Tachoanzeige des V-30 sehr fröhlich ist: 40 Stundenkilometer entsprechen gemessenen 28,5 km/h; die versprochene Höchstgeschwindigkeit von 45 Stundenkilometern wird leicht erreicht, hier steht dann ein praller Sechziger auf der Uhr. Die Fahrwerkseigenschaften des WAV-ES gehören zu den angenehmen Überraschungen: Wir haben den Probanden bergab auf knapp hundert (Tacho) „gejagt" – bei unwirklicher, fast gespenstischer Geräuschlosigkeit bleibt dabei alles im stabilen Bereich, trotz der sehr kleinen 10-Zoll-Radgröße. Das Handling ist spielerisch. Die Bremswirkung der hinteren Trommelbremse ist bescheiden, was aber durch den guten Biss der vorderen Doppelkolbenzange in die kleine 180-Millimeter-Scheibe wettgemacht wird. Zu den Nachteilen der elektrischen Mopedklasse gehört die begrenzte Bergtauglichkeit, der V-30 ist da keine Ausnahme. Wir mussten feststellen, dass taugliche Steigfähigkeit nur bei voller Akkuladung gegeben ist und – darüber hinaus – dass die Steigfähigkeit zunehmend abnimmt, je mehr sich der Motor erhitzt. Am Berg also. Die sprichwörtliche Katze, die sich in den Schwanz beißt. In der Praxis heißt das, dass Personen, die etwa in Klosterneuburg am Ölberg wohnen, in Wien am Wilhelminenberg oder manchen Teilen Ober Sankt Veits, für diese kleinste Form der Elektromobilität schlichtweg nicht in Frage kommen. Die Akku-Ladestandsanzeige im Cockpit ist als Orientierungshilfe nützlich, wobei in flachem Gebiet durch die sinnvolle Batteriekapazität eine alltagsgerechte Reichweite von 50 Kilometern durchaus drin ist, sobald nicht ständiges Stop-and-go unterbricht. Die Ladezeit des Gel-Akkus fällt mit acht Stunden recht lang aus. Während öffentlicher Ladevorgänge haben wir den Stauraum unter der Sitzbank gerne als Tresor verwendet, um das kleine Ladegerät vor Entwendung zu schützen. Leider ist das einem besonders boshaften Zeitgenossen ungut aufgestoßen – während der V-30 an der Klosterneuburger Wienstrom-Tankstelle hing und wir in der gegenüberliegenden Fleischerei Berger den Mittagsteller einnahmen, wurde einfach der Stecker rausgezogen. Video-Überwachung, wie in den U-Bahnstationen? Die anrainenden Geschäftsleute möchten einen etwa 35-jährigen Mann mit hohen Backenknochen und fliehendem Kinn beim Manipulieren beobachtet haben – aber weg ist weg. Möglicherweise wollte er den ganzen V-30 entwenden und hat dann aber Fersengeld gegeben. Die Verarbeitung des WAV-ES ist natürlich nicht luxuriös, doch weitaus besser als es der Schnäppchenpreis vermuten ließe: solider Haupt- und Mittelständer; grifffeste Schalter und Rückspiegel; strapazfähig unterfütterte Sitzbank; großes, völlig ebenes Trittbrett; schöner Lack; ein in Karosseriefarbe lackiertes Topcase kommt serienmäßig mit. Sogar Feinheiten wie Ablagefach und zwei Gepäckhaken an der Frontschürze und unter der Sitzbanknase gibt's. Fazit aus zwei Wochen WAV-ES-Test? Wer äußerst preiswert elektrisch dabei sein will und das Einsatzgebiet im urbanen Kurzstreckenbereich sieht oder im flachen Überland, eventuell als Park-and-ride-Komponente, für den ist der V-30 eine Option. Die nächste Generation soll mit geringfügig stärkerem 1,5-kW-Motor eintreffen.
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