NEUE KONZEPTE
VERGLEICHSTEST: HONDA FORZA 750 vs. HONDA X-ADVText: Redaktion Fotos: Motomobil DOPPELLEBENHerrensitz in guter Lage mit prächtiger Aussicht, bestens ausgestattet, an ernsthaften Interessenten abzugeben. Angebote unter Kennwort „Ein bisschen Stadt geht auch“![]() Mitfahrgelegenheit über Stock und Stein, durchaus luxuriös, bei jeder Witterung. Termine unter Kennwort „Ein bisschen Dakar geht auch“![]() Kommen die spartenfluiden Scooter, die Transroller? Seit Einführung des Doppelkupplungsgetriebes und des Integra vor zehn Jahren versucht sich Honda immer wieder mit Hybridkonzepten – und die Konzepte werden besser und ausgefeilter. Bisher ganz klare Grenzen zwischen verschiedenen Zweirad-Bauarten werden einfach außer Kraft gesetzt. Dabei stellt sich bald heraus, dass sie auch gar nicht notwendig sind.
Der Forza 750 (als Nachfolger des bisherigen Integra) und die dritte Generation des X-ADV sind aktuelle Höhepunkte des Trends. Luxusroller? Sportbike? Universelles All Terrain Vehicle? Von allem steckt etwas drin – und dabei müssen gar nicht einmal große Kompromisse gemacht werden. Der Forza tritt optisch als nobler Premiumroller auf – dabei steckt in ihm sehr viel Gutes der X-ADV-Modelle. Und gleichzeitig kommt er mit einem Chassis und mit Fahreigenschaften, denen man in einem sportlichen Roadster applaudieren würde. Die neueste Version des X-ADV wirkt noch etwas martialischer als bisher – so als ob er das beste Transportmittel auf der Offroad-Piste zum Lieblingsstrand wäre. Aber er hat auch Tugenden, die einem Maxiscooter bestens zu Gesicht stehen. Gleich vorab also kurz zusammengefasst: Der Forza 750 ist mit Roller-Antlitz ein höchst taugliches Instrument für eilige Fortbewegung auf Kurvenstraßen. Der X-ADV ist in kleinen Feinheiten noch um ein Alzerl präziser, und gleichzeitig hat er Ausstattungsdetails, die man im Forza vermuten würde. Von drei neuen Merkmalen profitiert der Forza im Vergleich zum bisherigen Integra ganz besonders: Durch die Verringerung der hinteren Radgröße von 17 auf 15 Zoll legt er den etwas storchigen Habitus des Vorgängers ab; am wichtigsten ist aber die dadurch mögliche deutliche Vergrößerung des Sitzbank-Kofferraums. Jetzt passt nicht nur ein ausgewachsener Integralhelm mit Spoilern ganz ohne Trickserei hinein, sondern auch noch einiges drumherum. Man kann mit dem Forza zum Einkaufen, ohne dass man beim Heimfahren was zurücklassen muss. Selbiges gilt für den X-ADV, der unter dem Sattel die gleiche Gepäckmulde hat (22 Liter Volumen). Das LED-Licht als Gepäckraumbeleuchtung hat Kerzenhelligkeit, aber es ist wenigstens da. Der Forza hat die traditionelle Teleskopgabel des Integra abgelegt, auch er besitzt nun eine waschechte 41er-Upside-down-Gabel – so wie eben Sportbikes. Außerdem übernimmt er die 310-Millimeter-Doppelscheibenbremsanlage des bisherigen X-ADV-Modells. Für das transparente Bremsgefühl ist das ein wesentlicher Fortschritt. Der X-ADV punktet mit seinem höhenverstellbaren Plexi-Windschild. Das beim Forza (aus welchen Gründen auch immer) fix eingebaut ist. Für verschiedene Tempi oder Regensituationen kann man dessen Höhe am X-ADV (mit einem Mechanismus ähnlich den früheren BMW-GS-Modellen) unkompliziert anpassen, und man nutzt das gerne auch aus. Außerdem bringt der Offroad-Handschutz vor den Lenkergriffen bei nasser oder kalter Witterung weitere Vorteile. In diesen Punkten ist der X-ADV also sogar noch mehr „klassischer Roller“ als der Forza 750. Die Vermutung liegt nahe, dass Honda bei einem Forza-Update möglicherweise ein paar Punkte nachjustieren wird (vielleicht mit einer zumindest manuellen Windschutzscheibenverstellung, ähnlich früheren Forza-125-Modellen). Die Verlegung der Betätigung der Feststellbremse an den Lenker beschert nun auch dem X-ADV ein kleines Handschuhfach im Vorbau. Hinter beiden Windverbauten sitzt man verwirbelungsfrei, am Forza etwas leiser. Ein weiteres Detail soll nicht unerwähnt bleiben: Für den X-ADV gibt es im Originalzubehör (recht kostspielige, aber schöne) Zusatzfußrasten von Rizoma, auf denen man im Gelände sinnvollerweise stehend fahren kann. Sie haben einen interessanten Zusatznutzen: Auf faden Autobahnetappen erweitern sie die Abstellmöglichkeiten für die Füße, sie haben also auch einen netten Bequemlichkeitseffekt. Offroad-Tauglichkeit: Ja, gibt es auch. Freilich kommen hier die 236 Kilo vollgetankt mit ins Spiel, wodurch bereits bei nicht allzu hohen Luftständen die Federelemente an die Grenzen kommen. Den X-ADV hört man beim Aufsetzen von Oberkirchbach nach Unterkirchbach. Der empfohlene Weg bleibt also die Piste zum Lieblingsstrand – das ist neben der grimmigen Optik der „added value“ des X-ADV. Die Analogie zum Forza 750 wäre wohl, dass man mit diesem sicher zügig auf einer Rennstrecke fahren könnte – aber er wäre nicht die erste Wahl dafür. Die für die Saison 2021 auf den neuesten Stand gebrachten SOHC-Achtventil-Reihenzweizylinder-Triebwerke mit 43,1 kW (59 PS) Leistung sind bei Forza 750 und X-ADV identisch, daher sind die Eindrücke gut übertragbar. Lediglich der Auspuff-Endtopf ist beim X-ADV steiler nach oben angewinkelt. Vor allem die Vehemenz, mit der die Kupplungsautomatik des sechsgängigen DCT-Getriebes die Fahrzeuge aus dem Stillstand nach vor befördert, kann immer wieder begeistern: Katapult. Kein Drehzahlgeheul, kein Kupplungsschleifen, nur Vorwärtsdrang. Dass die Kupplung so unmittelbar und auf kurzem Gasgriffweg einrückt, ist beim Rangieren (besonders bei eingeschlagenem Lenker) etwas gewöhnungsbedürftig. Bei kaltem Motor ist der Effekt noch etwas ausgeprägter. Ermittelte Höchstgeschwindigkeit knapp 170 km/h; Testverbräuche zwischen 3,5 und 4,2 Liter auf hundert Kilometer.
Beim X-ADV können vier fix programmierte Fahrmodi gewählt werden, nämlich Regen, Standard, Gravel (loser Untergrund) und Sport. Damit werden im wesentlichen die Spontaneität über den Fly-by-wire-Gasgriff, die Schaltdrehzahl und die Motorbremswirkung beeinflusst. Ein weiterer User-Modus ist individuell einstellbar, und natürlich können wie bisher die Gangwechsel direkt über Drucktasten an der linken Lenkerarmatur angewählt werden. Die fein reagierende, deaktivierbare Traktionskontrolle HSTC bietet drei Stufen, dadurch lässt sich vor allem bei Offroad-Ausflügen das Fahrverhalten an den persönlichen Fahrstil angepassen. Mit dem User-Modus kann natürlich auch das Triebwerk im Forza individuell konfiguriert werden – und somit darf man sich eigentlich in jedem der beiden Fahrzeuge „seinen eigenen Motor bauen“. Wobei die ab Werk angebotenen Fahrmodi wahrscheinlich 98 Prozent der Wünsche abdecken – doch die Technik und die Software machens eben möglich. Die eingehende Betrachtung des neuen „Smartphone Voice Control Systems“ von Honda kommt im nächsten „motomobil“-Printmagazin – eine nähere Erläuterung der Connectivity würde hier den Rahmen eines prägnanten Direktvergleichs der beiden Konzepte bei weitem sprengen. Über die Multi-Wippschalter an der linken Lenkerarmatur können der Inhalt und die grafische Oberfläche des neuen Cockpit-Displays individuell gestaltet werden. Sobald einem nach kurzer logischer Ergründung der Knopf aufgegangen ist, kommt man damit gut zurecht. Dafür haben wir einen Beweis – dass nämlich sogar Kindsköpfe mit dem System umgehen können: Ein nicht namentlich genannter Vortester des „motomobil“-Test-X-ADV hat uns die Nachricht „Du Sau!“ ins Cockpit hineinprogrammiert. Ein Kompliment, das wir hier gerne zurückgeben wollen. Reisetauglichkeit? Die gilt für beide Modelle. Bei der Bevorzugung der rahmenfest angebauten Rückspiegel (wie beim Forza) oder der lenkergebundenen (wie beim X-ADV) gibt es in der Praxistauglichkeit keine nennenswerten Unterschiede, das ist wirklich Geschmackssache. Es sind jeweils 50-Liter-Topboxen erhältlich, die ins Smartkey-System eingebunden sind. Die Seitenkoffer sind für den Forza etwas eleganter, für den X-ADV etwas rustikaler. Alternativ eine 38-Liter-Topbox mit „normaler“ Schlüsselbedienung. Unterm Strich kann es keine eindeutige Empfehlung geben, noch dazu bei einer knapp beieinander liegender Preisgestaltung. Es ist die Qual der Wahl – aber eine willkommene.
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