NEUE KONZEPTE
HONDA FORZA 750 – ERSTER FAHRBERICHTText: Redaktion Fotos: Honda (2), Motomobil (9) ÜBER-ROLLEREine Frage der Sichtweise: Gold Wing auf Diät, oder der neue Super-Scooter?![]() Gerade zu einem Zeitpunkt, zu dem das ehedem mächtige Segment der Maxiroller so nach und nach am Verschwinden ist, zeigt Honda mit dem Forza 750, wie eine Frischzellenkur für diese Gattung funktioniert. Und das mit Bravour und Grandezza.
Mittlerweile ist es bereits wieder ein knappes Jahrzehnt her, als Honda mit dem Integra 700 (damals als „New Mid Concept“ vorgestellt) die Rollerszene mit der Fahrdynamik von Motorrädern verheiraten wollte: Mit Zweizylindermotor und programmiert schaltendem Doppelkupplungsgetriebe eine Innovation im Scooterbereich, gilt der Integra für viele gestandene Biker als etwas zu bieder. Zudem vernachlässigte er – besonders in der ersten Version – einige wesentliche Rollertugenden (wie etwa vernünftigen Gepäckraum). Erst der etliche Jahre später kommende X-ADV öffnete dann (mit kräftigen optischen und fahrwerksmäßigen Modifikationen) die Herzen für das neue Konzept etwas weiter. Der frische Forza 750 will aus den bisher gemachten Erfahrungen das Optimum anbieten. Schon durch die bewusst gewählte Namensgebung und in neuem Design ordnet er sich als Premiumroller – und nicht als klassisches Motorrad – ein. Eine erste Umrundung zeigt schöne Verarbeitung und feine Oberflächenqualität der Metall- und Kunststoffteile. Gleich zu den wichtigsten Neuerungen: Die hintere Felgengröße ist jetzt 15 statt 17 Zoll, er wirkt dadurch optisch nicht mehr so storchig, und außerdem erhält man unter der Sitzbank nun 22 Liter Stauraum. Ein Vollvisierhelm passt locker hinein, der USB-Anschluss ist ebenfalls dort. Zusätzlich gibt es ein Handschuhfach im rechten Vorbau, dessen Scharniermechanismus ist zugegebenermaßen das simpelste Detail am ganzen Forza. Die Motorleistung des SOHC-Twins steigt von 40,3 kW (55 PS) bei 6250 Umdrehungen auf 43,1 kW (59 PS) bei 6750 Umdrehungen; das Drehmoment liegt mit 69 Newtonmetern ein bisschen höher als bisher. In der Praxis macht der Forza 750 bereits auf den ersten Metern enormen Druck: Die Abstimmung der automatischen (elektrohydraulisch gesteuerten) Kupplung ist ganz hervorragend gelungen, sodass beim Wegfahren ohne jedes Drehzahlgeheul das Maximum an Beschleunigung erzielt wird. Dabei wirkt das Einrücken der Kupplung durchaus etwas giftiger als bei einer herkömmlichen Roller-Variomatik, man gewöhnt sich jedoch sehr schnell daran. Durch die beiden Ausgleichswellen arbeitet der SOHC-Twin so gut wie vibrationsfrei; 270 Grad Hubzapfenversatz ergeben die Zündcharakteristik und den Klang eines 90-Grad-V-Zweizylinders. Wie an den Leistungsdaten ersichtlich, ist das Drehzahlband nach oben um 500 Touren erweitert, das macht den Forza bei sportlicher Gangart höchst erfreulich. Schon im Fahrmodus „Standard“ ist er – nicht nur für Rollerverhältnisse – höchst agil. In „Sport“ werden die sechs Gänge tendenziell bei höherer Drehzahl gewechselt; der Fly-by-Wire-Gasgriff ist spontaner; die Motorbremswirkung ist stärker. Der Modus „Rain“ begünstigt eine entspannte Eco-Fahrweise. Und in „User“ ist bei Leistungsentfaltung, Motorbremse und Traktionskontrolle eine benutzerspezifische Einstellung möglich. Zudem hat hier die DCT-Technik einen bisherigen Höchststand erreicht: Die Schaltvorgänge im Forza 750 sind so geschmeidig, nahtlos, ruckfrei und geräuscharm wie noch nie. Falls man das Getriebe hört, dann hört man auch das Gras wachsen. Vollkommen manuell per Tastendruck kann natürlich ebenfalls geschaltet werden. Das (bei unserem Testfahrzeug Bridgestone-Battlax-bereifte) Fahrwerk profitiert stark von der zweiten 310-Millimeter-Bremsscheibe am Vorderrad sowie von der Umstellung von konventioneller auf Upside-down-Telegabel. Das glasklare, sauber definierte Brems- und Einlenkverhalten des Honda Forza setzt Maßstäbe in der Rollerwelt und spielt auch bei Motorrädern in der Oberliga; das Hochgeschwindigkeitsverhalten ist tadellos. Außer vorsätzliche Ausflüge ins unbefestigte Terrain kann er all das, was auch der neue Offroad-Hybrid X-ADV 800 kann. Mit seinem Gewicht von 235 Kilo vollgetankt ist der Forza 750 unter den großen Maxis fast sogar so etwas wie ein Leichtgewicht. Natürlich will man von einem Scooter-ähnlichen Bike – und vor allem von einem reisetauglichen Roller – auch ein gerüttelt Maß an Komfort: Der kommt vom geräumigen, gut konturierten Sattel; vom Trittbrett mit seinen vielfältig möglichen Fußpositionen; und nicht zuletzt vom wirksamen Wind-/Wetterschutz durch das Windschild, hinter dem es sich verwirbelungsfrei sitzen lässt. Es ermöglicht zudem absolut verzerrungsfreien Durchblick. Der hohe Mitteltunnel ist wegen des Zweizylindermotors naturgemäß einigermaßen breit, das Windschild würden wir uns beim nächsten Update höhenverstellbar wünschen. Für Tourenfreunde gibt es ein komplettes Koffersystem, wobei die 50-Liter-Topbox ins automatische schlüssellose Fahrzeugsystem (serienmäßig) eingebunden ist. Ein kleineres 35-Liter-Topcase und die Seitentaschen werden manuell verriegelt. Mit dem neuen färbigen Fünf-Zoll-Cockpitdisplay (hier können verschiedene Grafikdesigns eingestellt werden), der automatischen Notbrems-Warnblinkanlage und der serienmäßigen Bluetooth-Connectivity (so wie beim kommenden Honda Forza 350) spielt der Forza 750 fast alle kommunikationstechnischen Stückl, die man sich momentan so wünschen kann. Hat man einen Helm mit Headset, werden am Smartphone einlangende Textnachrichten auf Wunsch über die neue Honda Voice Control vorgelesen. Auch die Turn-by-turn-Navigation wird per Audio ausgegeben, und nicht über Richtungspfeile am Cockpitschirm – aus Sicherheitsgründen, wie Honda betont. Von den vielfach belegten Lenkerarmaturen mit den Mehrwege-Wippschaltern darf man sich jedenfalls nicht abschrecken lassen, die Bedienung der umfangreichen Funktionen ist weitgehend intuitiv. Und die Möglichkeiten der Honda Voice Control werden wir im Frühsommer in einem speziellen Motomobil-Bericht erörtern. Der 2021er Forza 750 ist zum Preis von 11.990 Euro bereits im Handel. Schöne neue Rollerwelt.
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