E-BIKE-TEST
KTM FREERIDE E-SM IM ALLTAGSTESTText: Herbert Bonka Fotos: Michael Bernleitner PSSST!Bevor jemand was hört, sind wir auch schon wieder weg![]() ![]() Erste Ausfahrt zur berühmten Dopplerhütte, die klassische Wienerwaldrunde: In der zweiten Spitzkehre ist nach genau acht Kilometern einer von drei grünen Doppel-Teilstrichen weg, das ist fast wie ein Elektroschock. Auf der Geraden bei Königstetten zeigt der Tacho als Höchstgeschwindigkeit 92 Stundenkilometer (GPS-gemessene 86 km/h). Nach 15 Kilometern fällt in der 180-Grad-Kehre an der Hagenbachklamm der zweite Teilstrich, nach 21 Kilometern der dritte. Kommen wir wieder nach Hause oder müssen wir eine Abholung organisieren? Man kann jetzt schon sagen, dass die E-SM eher kein Fahrzeug für reichweitenängstliche Naturen ist. Sie ist gut für das Trainieren des Nervenkostüms – ein bisschen was geht nämlich schon noch: Das orange Batteriesymbol leuchtet bis Kilometer 28, dann wird es rot und die Leistung wird etwas zurückgenommen. Nach 32 Kilometern fängt es hektisch zu blinken an, was als dramaturgischer Effekt höchst beeindruckend ist. Der Ofen ist jedoch erst bei Kilometer 36,5 aus. Wobei es aber nicht völlig finster wird – der Scheinwerfer leuchtet noch strahlend. Ein großer Nachmittagsausflug geht sich nicht aus, das ist ganz klar. Man muss das aber in die richtige Relation setzen: Die Dopplerhüttenrunde ist gebirgig, stromfressend und fordert den geöffneten Griff. Hätte die KTM nicht 2600 Wattstunden Batterieinhalt, sondern zum Beispiel acht Kilowattstunden wie etwa der mächtige BMW-E-Roller, so wäre die 111 Kilo leichte E-SM um 60 Kilo schwerer und würde dann immerhin 110 Kilometer weit kommen. Das ist alles andere als schlecht – das Strom-Management stimmt also. In der Stadt sollte man bei disziplinierter Fahrt mit 50 Kilometern Reichweite rechnen. Das, was den Offroader so attraktiv macht, nämlich das durch die schlanke Batterie und das externe Ladegerät ermöglichte Leichtgewicht von nur 108 Kilo, steht zur gewünschten Autonomie eines Street-E-Bikes freilich in Widerspruch. Auch die theatralischen Lichtspiele der Ladestandsanzeige passen bestens für den Geländeeinsatz – auf der Straße wären feinere Teilstriche oder eine einigermaßen glaubhafte Prozentanzeige mit zusätzlicher Umrechnung auf „Distance to go“ (wie beim C evolution oder den Zero-E-Bikes) etwas beruhigender. Somit empfiehlt sich die KTM Freeride E-SM ganz besonders als hochwertiges Spielzeug für den Playground in der Nähe: Die Qualitäten des Fahrwerks, der Dämpfung mit riesigen Federwegen und der Bremsen sind KTM-typisch in kugelsicherer Ausführung gemacht – unter preislich vergleichbaren E-Bikes an oberster Stelle. Das harmonische Schräglagenverhalten ist superb, ebenso die kinderleichten Korrekturmöglichkeiten während der Kurvenfahrt. Einmal mehr zeigt KTM, dass ein exzellentes Chassis sowohl der Sicherheit als auch dem Genuss dient. Statt des Fußbremshebels gibt es einen Handbremshebel links (wie bei einem Roller), daran hat man sich in Minutenschnelle gewöhnt. Für den Spaß oder zum Trainieren muss man nicht unbedingt den Rübenplatz aufsuchen – die E-SM lässt mit dem nahezu lautlosen E-Motor auch in Gebieten einsetzen, wo man sich auf einem Benziner mit Blumentöpfen und Regenschirmen beamtshandeln lassen müsste. Das leise düsenjägerartige Pfeifgeräusch klingt angenehm, lediglich beim Rangieren und Schieben ohne Motorantrieb ist das Knarzen des kleinen Primärgetriebes etwas auffällig. In einem passenden Umfeld lässt sich die Reichweite dann verdoppeln, wenn entweder eine Zweitplatzierung des Ladegeräts (798 Euro) oder des 28-Kilo-Akkus (3303 Euro) möglich ist. Das Battery-Swapping selbst ist mit einem Zehner-Ratschensteckschlüssel eine Angelegenheit von Sekunden. Die Ladezeit wird von KTM mit 50 Minuten (80 Prozent) beziehungsweise 80 Minuten (Batterie voll) angegeben, in der Praxis darf man etwa eine Viertelstunde dazurechnen. Abschließend ein Aspekt, unter dem das orange E-Bike weit vorne steht: Mit einer Nennleistung von 11 kW (15 PS) ist die KTM Freeride E-SM versicherungs- und führerscheintechnisch in der sparsamen 125er-Klasse; mit einer abrufbaren Peak Power von 16 kW (22 PS) ist sie gleichzeitig das beschleunigungsstärkste Elektromotorrad, das ab 16 Jahren oder mit dem B111-Führerscheinzusatz gefahren werden darf. Auch wenn die Pläne von KTM derzeit wieder etwas auf die Seite geschoben wurden: In einem pfiffigen Roller würde sich der E-Antrieb ebenfalls sehr fesch machen. ![]()
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