E-ROLLER-TEST
SEAT MÓ ESCOOTER 125 FAHRBERICHTText: Redaktion Fotos: Christian Houdek (7), Motomobil (4) BITTE PSSST!Eine leise, aber frische Brise bereichert das Angebot der flotten Elektroroller![]() Der ab Mai in Österreich erhältliche Seat MÓ eScooter könnte die leistungsfähige, 125-Kubik-aliquote E-Rollerklasse tüchtig aufrollen. Bisher musste man sich ja entweder zwischen eher schmächtiger Batterie (und damit auch überschaubarer Reichweite bei bescheidenem Tempo) oder dem Verzicht auf wichtige Rollertugenden (wie großem Gepäckraum) entscheiden.
Mit seinem auf clevere Weise entnehmbarem Akkupack und dessen Anordnung bringt der Seat frischen Wind in die individuelle Mobilität. Die muss keineswegs nur urban sein – denn mit 5600 Wattstunden Energievorrat lassen sich (im Messzyklus) bis zu 137 Kilometer Reichweite erzielen. Das ermöglicht sogar „entspannten“ Spielraum für Stadt-Land-Pendlerfahrten, denn im zügigen Alltagsbetrieb erlaubt es alleweil 80 bis 100 Kilometer Praxisreichweite. Gleichzeitig gibt es mehr als komfortables Platzangebot und (für E-Roller-Verhältnisse riesigen) Sitzbank-Stauraum, in den sogar ein Integralhelm plus ein Jethelm passen. Außerdem einen sehr großen, völlig ebenen Durchstieg mit stabilem Gepäckhaken hinter dem Lenkkopf. Die Transportmöglichkeiten können durch ein 39-Liter-Topcase aus dem Seat-Originalzubehör erweitert werden.
Sitzt und passt: Mit der geräumigen Lenkerhöhe und Lenkerbreite würde er auch in die 200er- oder 250er-Kategorie passen, und ist somit fürs Durchstechen durch den Citystau noch immer schmal und schlank genug. Mit wind- und wettergeschütztem Fußraum ist dann alles da, was man sich von einem ordentlichen Roller erwarten darf. Für umfassenderen Schutz am Oberkörper kann man auf ein alternatives hohes Windschild aus dem Zubehör greifen. Lediglich ein (einfaches, zumindest offenes) Ablagefach neben dem USB-Outlet an der Vorderschürze würden wir uns noch wünschen. Bedingt durch die zentrale Position und die Dimensionierung des entnehmbaren Akkus sind der Hauptständer recht weit hinten und der Seitenständer recht weit vorne angeordnet. Das ist kein Nachteil – wobei aber der Seitenständer sehr steil angewinkelt ist, und daher der Untergrund für ein sicheres Abstellen des Rollers völlig waagrecht sein sollte. Die Akkuhalterung wird unter der Sitzbank entriegelt: Beim seitlichen Herausnehmen „entfalten“ sich zwei Stützräder, durch den ausziehbaren Trolleygriff ist der weitere Transport zu einer Steckdose unproblematisch. Die immerhin 41 Kilo Gewicht verlieren dadurch ihren Schrecken, dennoch sollte die heimatliche Lademöglichkeit entweder ebenerdig oder per Lift erreichbar sein. Das Wiedereinfädeln verlangt etwas Sorgfalt, ist aber mit kurzer Übung ein Kinderspiel. Das Ladekonzept des Seat MÓ ist so simpel wie möglich: Das Ladegerät ist in den Akku integriert – somit kann man den kompletten Roller entweder an eine öffentliche E-Zapfsäule stellen, oder (irgendwo) allein den Akku anstecken. Mit lediglich 0,6 kW Ladeleistung muss eine Schukosteckdose in einem Haushalt nicht zusätzlich abgesichert sein. Beim E-Roller-Vergleichstest des deutschen ADAC benötigte der baugleiche spanische Silence S01 dann auch acht Stunden für eine Vollladung. Für die meisten täglichen Anwendungen ist das sicher ausreichend, bei einer weiteren Strecke will es berücksichtigt werden. Gleichzeitig könnte der Akku sogar als leistungsfähige Powerbank dienlich sein, zum Beispiel für Camper: In Spanien gibt es von Silence bereits einen Inverter, der die Spannung auf 220 Volt transformiert – jedes elektrische Gerät mit bis zu 700 Watt Leistungsaufnahme (TV-Gerät, Kaffeemaschine, Computer, Mikrowelle et cetera) kann somit etliche Stunden lang betrieben werden.
Von den drei angebotenen Fahrmodi wird von allen befragten Testern der Citymodus (mit geregelt 80 Stundenkilometern Höchstgeschwindigkeit) als am souveränsten empfunden. Interessanterweise ist hier die Rekuperation (und damit die Motorbremswirkung) am geringsten – man segelt also quasi zur nächsten Kreuzung, wo man dann unbestrittener Ampelkaiser ist. Auch der Ecomodus bedeutet nicht fade Beschleunigung und Schleichfahrt, doch bei 64 km/h ist Schluss (und nur innerhalb dieser Bedingungen kann die maximale Reichweite erreicht werden). Die elektrischen 9 kW (12,2 PS) Spitzenleistung des Seat MÓ bieten zumindest die Beschleunigung, die ein Benzin-125er mit 11 kW (15 PS) unter Ausnutzung der gesetzlichen Obergrenze (für A-Führerscheinbesitzer mit B111-Zusatz) bestenfalls schaffen kann. Das Fahrgefühl ist tatsächlich druckvoll. Der Sportmodus erlaubt 95 km/h Spitze, er hat auch beim Gaswegnehmen spürbar die stärkste Rekuperation. Allerdings ist er am sensibelsten auf bereits sehr kleine Gasgriffbewegungen, und wirkt dadurch bei niedrigen Tempi im Stop-and-Go-Verkehr ruckelig. Viel Dynamik bei hohem Komfort gibt es also in der Stellung „City“, wie bereits erwähnt. Auffallend ist weiters, dass die Modi während der Fahrt einfach gewechselt werden können, und dafür keine originellen Tastenkombinationen oder gar ein Stillstand des Fahrzeugs erforderlich sind. Die unauffälligen 152 Kilo Fahrzeuggewicht machen den Rückwärtsgang beim Einparken keineswegs notwendig – aber es gibt ihn, falls man das verwenden will. Durch Betätigung des Vorderradbremshebels wird ebenfalls Energierückgewinnung – und damit unterstützende Bremswirkung durch den Nabenmotor im Hinterrad – eingeleitet. Statt eines Antiblockiersystems gibt es ein gut abgestimmtes und wirksames CBS, wobei bei dieser Kombibremse der Hinterradbremshebel das Vorderrad mitbremst. Durch die fehlenden ABS-Sensoren gibt es auch keine Traktionsregelung. Die Lenkerarmaturen links und rechts sind sicher nicht die edelsten und kostspieligsten, jedoch ausreichend funktionell – und es gibt sogar eine Verstellmöglichkeit der Bremshebel für den Druckpunkt. Wichtiger und erfreulicher erscheint uns, dass Seat bei der Erstbereifung nicht spart, und dass mit Michelin City Grip oder mit Pirelli Angel Scooter (wie am „motomobil“-Testroller) ausgeliefert wird.
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