125er-TEST
APRILIA RS4 125Text: M. Hauptmann Fotos: Aprilia, M. Hauptmann EINSTIEGSDROGEDie Aprilia RS4 125 sieht aus, als wäre Weltmeister Max Biaggi nur kurz zum Zigarettenholen abgestiegen. Und die Burschen vor der HTL würden dafür ohne zu zögern ihre Großmütter verkaufen![]() Es ist sicher kein Zufall, dass die „Kleine“ der ebenfalls kompakt bauenden RSV Mille sooo ähnlich sieht. Und dass man beim besten Willen keinen 125er-Schriftzug auf ihr finden kann. Das ganze Eisen strahlt RENNSTRECKE aus. Brüstet sich am Tank des vorjährigen Superbike-WM-Titels und trägt auch stolz die Farben der großen Schwester. Italiener haben schon immer gewusst, wie man eine grandiose Optik erzielt. Leicht ist sie auch noch; ein probehalber Popschwackler nach dem Aufsitzen bestätigt das Trockengewicht von 135 Kilo. Subjektiv eher noch weniger. Dazu eine hübsche Schwinge aus Alu, eine USD-Gabel und eine radial montierte Vierkolben-Zange vorne. Mit besten Grüßen vom Superbike, dessen Sitzposition die RS4 ebenfalls teilt: Lenker und Sitzfläche liegen ziemlich auf gleicher Höhe. Aber die Optik verspricht ja auch Racing, nicht Touring. Die Sozia muss ihren Fahrer für wiederholte längere Strecken ebenfalls sehr lieben – das Wettex in luftiger Höhe ist einer Sitzabdeckung auch vom Komfort nicht unähnlich. Supersport eben. Zündung an und schon spielt das teils digitale, teils analoge Display Systemcheck und schickt die Nadel auf Maximum. Nach dem Druck auf den Starterknopf ist klar, dass das hier keine Tausender ist. Klingt aber gut: Überraschend tief mit leicht blecherner Note singt der Underengine-Auspufftopf das Lied von der hohen Verdichtung. 11 kW, also volle 15 Pferde attestiert Aprilia der RS4 bei 10.500 Umdrehungen. Natürlich geht ohne Drehzahl nichts: Sportliches Anfahren geht ab Siebentausend mit einer sauberen Kupplungsdosierung, im flotten Modus wird nicht unter Neun geschaltet. Leider lassen die scheinbar vorsichtigen Aprilia-Techniker den Motor schon kurz vor Elftausend abriegeln – da wäre sicher noch was gegangen, zumal das Aggregat bis zum Schluss Mehrleistung draufpackt und auch nicht angestrengt klingt. So passiert es auch leicht, dass man den kleinen Achtelliter bei ambitionierter Fahrweise in den Begrenzer dreht – der Drehzahlmesser will also im Auge behalten werden. Supersport ist im Fall der kleinen Aprilia kein leeres Versprechen: Die Bremse verzögert echt gut und die (nicht einstellbare) USD-Gabel ist ein Gedicht – immer straff, niemals hart. Das Seriensetting der Heckabstimmung ist da schon eher auf der harten Seite, passt aber, solange der Fahrer ganz nach hinten rutscht und schön auf Zug bleibt. Das Handling ist spielerisch, die Straßenlage aber sportlich-erwachsen und vermittelt rasch viel Vertrauen. Mit möglichst viel Speed in den Kurveneingang, sauber Schwung mitnehmen und mit Druck wieder raus – yippiayeh, Schweinebacke! Aprilia-Fahrwerke waren immer gut und die RS4 macht da keine Ausnahme. Die RS4 ist ein gutes Training für einen späteren Aufstieg in die 600er-Klasse: Sie braucht Drehzahl und will viel und richtig geschaltet werden. Das eng gestufte Sechsgang-Getriebe und die mädchenfreundliche Kupplung helfen dabei. Alle 20 km/h ein neuer Gang, dann geht was weiter. Ein bisserl mehr Spreizung hätte das Getriebe vielleicht aber doch vertragen – bei Tacho 122 läuft die Aprilia auf ebener Autobahn in den Begrenzer. Sitzend wie liegend. Für den Alltag ist das schöne Sporteisen fast zu schade. Natürlich macht der Motor problemlos mit, es sind eher die geduckte Sitzposition, das straffe Fahrwerk und die breiten Spiegel (exakt auf Höhe der Auto-Rückspiegel beim Vorschlängeln), die für die meisten Commuter gegen einen regelmäßigen City-Einsatz sprechen werden. Und auch die Hupe dürfte im Stadtverkehr gern etwas mehr als das leise „Möp“ von sich geben. Die RS4 125 ist bei aller Praxistauglichkeit eben kein Alltagsmuli, sondern eine wirklich gelungene Einstiegsdroge. Sie macht Spaß und gleichzeitig Lust auf mehr: mehr Drehmoment, mehr Geschwindigkeit. Die Aprilia ist damit neben sportorientierten 125er-Piloten vor allem den glücklichen 16- bis 18-jährigen auf den Leib geschneidert, die ab 2013 auf 125ern fahren dürfen. Fangt schon einmal zu sparen an, Burschen – der Händler will dafür 4690 Euro sehen.
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