ROLLER-TEST
PUCH RL 125 AUS 1952Text & Fotos: M. Bernleitner NUMMER EINS LEBTDas 60 Jahre alte erste Serienexemplar der Puch-Rollerproduktion darf in einer der schönsten Gegenden Österreichs frische Luft schnappen. Und ganz oben am Berg auf einen echten Fan treffen![]() Kaiserwetter in der Wachau, Seiberer Bergpreis in Weißenkirchen. Der Herr Museumsdirektor aus Sigmundsherberg setzt mich – quasi als „Werkspilot“ – auf den Puch RL 125, der da in seinen verschiedenen froschgrünen Tönungen leuchtet. Da muss irgendwann einmal beim Waschen ein Ajax runtergetropft sein – und die verschiedenen Grüns sehen jetzt unterschiedlich aus. „Verschieden“ ist da durchaus mehrdeutig zu verstehen. Ich darf mit einer der begehrten Startnummern des Museumsteams auf den legendären Seiberer – doch der Gipfel der Ehre ist: Das ist nicht irgendein Puch RL, das ist DER Puch RL! Er trägt die Fahrgestellnummer 600.001 – das heißt nicht mehr und nicht weniger, dass ich am allerersten Puch-Roller sitze, der in Graz-Thondorf in Serie erzeugt wurde. Unrestaurierter Originalzustand, wie mir der Museumsdirektor mit bedeutungsschwangerer Stimme erklärt. Allein, in meiner Kindheit und Jugend habe ich so viele Puch-Roller gesehen, dass mir die ganz tiefe Ehrfurcht irgendwie abgeht – das ist ein Arbeitsgerät, das kann geschunden werden. Außerdem weiß ich als stolzer Besitzer einer Lampe-unten-Vespa aus 1954 (in restauriertem Originalzustand), was schön ist. Offensichtlich will der RL auch geschunden werden, er wehrt sich nicht im mindesten: Er springt berechenbar an (mit klassischem „Tupfer“ am Vergaser für den Kaltstart), die Vibrationen sind kaum störend, der Klang durchaus muskulös und angenehm, und auch die 3,3 kW (4,5 PS) sind gar nicht fad oder mühsam. Die Kupplung lässt sich recht schwer ziehen, was ich jedoch eher dem Zustand oder einem schlecht verlegtem Seilzug zuschreibe als der Originalkonstruktion.
Es gibt einen Gepäckhaken und diverse Fächer für Putzlappen und den überlebenswichtigen Zündkerzenschlüssel; Zweitaktöl musste man früher nicht am Mann haben, denn das war in reichlichem Verhältnis in der Gemischpumpe an jeder Tankstelle. An weiteren integrierten Stauraum durfte man in der Aufbruchszeit längst nicht so riesige Ansprüche wie an heutige Roller stellen. Beim Unterbringen des Gepäcks auf größeren Touren war man sehr erfindungsreich. Die Bremsen lassen sich sehr wohl als Bremsen identifizieren, und das Puch-Fahrwerk ist sogar eine positive Überraschung: durchaus nachvollziehbar, dass der RL bei Wertungsfahrten erfolgreich war und dass seine Straßenlage in zeitgenössischen Tests als vorbildlich beschrieben wurde. Die Teleskopgabel und auch die Hinterradschwinge sehen für heutige Verhältnisse dünn bis schwindsüchtig aus, doch viel biegen oder gar verwinden tut sich das nicht. Zumindest bei den erreichbaren Geschwindigkeiten.
Auch das Schräglageverhalten gibt trotz der 12-Zöller und des recht kurzen Radstands keine Rätsel auf; der RL fordert keinerlei Eingewöhnung, es gibt keinen Eiertanz. Dazu gehört freilich die relativierende Betrachtung, dass seinerzeitige Vespas auf 8 Zoll (viel später auf 10 Zoll) einherwackelten und dass meine Faro-basso-Vespa schon überhaupt kein Maßstab für symmetrisches Fahrverhalten ist. Lediglich das Heben auf den Puch-Hauptständer ist ein echtes G’frett: Ist der obere Anschlag schlecht eingestellt oder fehlt er wie bei der Nummer Eins (und damit der Abstand zur Trittbrettkante), dann ist das beste und schönste Schuhwerk in kürzester Zeit aufgearbeitet. Ein Dandy, der auf sich und stets gepflegte Kleidung etwas hielt, fuhr in den 1950ern aber sowieso lieber einen starken und kostspieligen italienischen Rumi-Zweizylinder. Die Drehgriff-Dreigangschaltung am linken Lenkerende lässt sich nicht besser oder schlechter bedienen als das Pendant an einer Vintage-Vespa: Meistens – oder sogar fast immer – findet man den richtigen Gang, beziehungsweise auch den Leerlauf. Eine gewisse feinmotorische Sorgfalt in der Fahrzeugbedienung war früher ganz einfach notwendig und auch alltäglich. Die Kraftentfaltung des Motors könnte man durchaus als „linear“ bezeichnen, also als für Zweitaktverhältnisse durchzugsstark. Bei einem weit gespreizten Dreiganggetriebe heißt das jedoch am Seiberer an den meisten Steigungen, dass der Puch RL im zweiten Gang in den höchsten Tönen jubiliert, die Dritte aber den Anschluss verpasst und regelrecht verhungert. Dann fängt das Spiel aufs Neue an.
|