E-BIKE-FEATURE
PANIGALE MIT PEDALEText: Uli Brée Fotos: Michael Bernleitner ![]() Nur hat das eSpire eben noch Pedale dazu. Was so mancher Ducati-Fahrer bei der einen oder anderen Panne vielleicht sogar schon schmerzlich vermisst hat. Und noch einen wesentlichen Unterschied gibt es: Dieses ausgesprochen ästhetische Stück roter Bewegung stammt nicht etwa aus Italien, sondern aus Deutschland von Third Elements. Da paaren sich also deutsche Gründlichkeit mit italienischem Design. Was kommt dabei heraus? Etwas Schönes. Etwas Gutes. Etwas Schnelles. Hier wurde nirgendwo gespart, egal wo man hinschaut. Das fängt bei der Marzocchi-Gabel an. Als wir noch jung waren und unsere Mopeds nach Zweitaktöl rochen, hätten wir unsere Schwestern für so eine Gabel geopfert. Das Federbein und die verstärkte Alu-Schwinge sind auch nicht von schlechten Eltern. Die 14-Gang-Schaltung befindet sich perfekt abgeschirmt in der hinteren Radnabe. Sehr nobel. Kaum weniger nobel sind der Alurahmen oder die Magura-Bremsen. Der Kenner unter den Kennern bemerkt nochmals: Hier hat niemand gespart. Auch beim Gewicht nicht. Das ist nun mal so – wo viel Sonne scheint, da fällt auch Schatten. Das eSpire wiegt 30 Kilo. Aber das hat natürlich auch seine Gründe. Immerhin sorgt einer der besten E-Motoren, die derzeit am Markt sind, für den Vortrieb, damit der edle Reiter nicht ins Schwitzen gerät und womöglich selbst ein paar Kilo auf der Strecke lässt: Der Mittelmotor von Clean Mobile bringt es mit 48 Volt Betriebsspannung auf 1200 Watt (1,6 PS) Leistung und 150 Newtonmeter Drehmoment. Das ist schon gewaltig. Die Kraft tankt er aus einem sechs Kilo schweren Lithium-Ionen-Akku mit 17 Ah und immerhin 850 Wattstunden Energieinhalt. Die Reichweitenangabe von Third Elements ist hochseriös und stimmt, wie sich in unserem Testbetrieb bestätigt hat: Rein elektrisch kommt man 50 bis 65 Kilometer weit, mit Zutreten sind bis zu 90 Kilometer drin. Untergebracht ist der in drei Stunden wieder aufgeladene Akku schwerpunktmäßig perfekt – nämlich ganz, ganz weit unten. Oder sagen wir es einmal so, perfekt auf der Straße, perfekt am Schotter. Weniger perfekt beim downhillfahren. Da hat man dann nämlich ziemlich schnell keinen Akku mehr, weil es einem den Bug beim ersten Stein aufreißt. Das ist fast ein wenig schade, denn das eSpire federt ausgesprochen gut und der Rahmen ist absolut stabil. Man steigt auf das rote Gerät, drückt den „Startknopf“ links am Akku und hört: Nichts! Man ist fast enttäuscht. Das Ding sieht aus wie eine Ducati und dann klingt es nicht so. Im Gegenteil. Absolut rauschfrei. Also, nicht ganz: Man verfällt zumindest in eine Art Rausch. Rechts ist „Gas“ (also doch eine Ducati?), links ist die Griffschaltung. 14 Gänge! Und was richtig cool ist – und da sind wir auch schon wieder beim motorradfahren: Man muss fast so was wie Zwischengas geben beim Fahren. Also, zumindest ist es hilfreich, wenn man beim Schalten vom Gas geht. Am Lenkerdisplay kann man drei verschiedene Leistungsstufen wählen. Ich habe mich immer für die stärkste entschieden. Nicht, weil ich weniger treten wollte, sondern weil ich ein Freund zügiger Fortbewegung bin. Und das kann man mit dem eSpire definitiv. Ohne auch nur einen Schweißtropfen zu vergießen, geht das Bike echte 45 Stundenkilometer. Das hat schon was. Ich bin damit hauptsächlich in der Stadt unterwegs gewesen. Da zieht man beim Ampelstart so manchem Auto davon oder bleibt zumindest mit den Vespas gleichauf. Das ist einerseits lässig und andererseits auch irgendwie Besorgnis erregend. Warum? Man fühlt sich in diesem Geschwindigkeitsbereich auf einem „Fahrrad“ mitten im berühmt-freundlichen Wiener Berufsverkehr völlig ausgeliefert und schutzlos. Ich bin am Anfang noch ganz normal damit unterwegs gewesen. Sprich: ohne Helm. Aber nur am Anfang. Schließlich habe ich mir meine Belstaff-Jacke mit Protektoren angezogen und den Helm aufgesetzt. Das hat die Sache doch um einiges entspannter gemacht. Man weiß nämlich nicht so ganz genau, zu welcher Gruppe man gehört. Und der Mensch ist nun mal ein Herdentier, hab ich mir zumindest sagen lassen. Obwohl er natürlich mit einem knapp über 7000 Euro teuren E-Bike eher nicht zu einer großen Herde gehört. Aber man weiß eben nicht so genau, wo man fahren soll. Gehört man nun zur Herde der Radfahrer auf den Radweg, oder eher zur weit größeren Herde der motorisierten Fahrzeuge auf die Straße? Laut deutschem Gesetz braucht man mindestens den M-Schein (Roller). Das heißt, in Österreich braucht man für das eSpire zumindest den Mopedschein. Und man muss es anmelden. Ja, kein Schmäh. Dieses Fahrrad braucht in Wahrheit ein rotes Taferl. Auch wenn die momentane Rechtslage den einen oder anderen Streifenbeamten überfordern könnte und man sich noch eine Zeit lang im Bereich der Rechtsunsicherheit bewegen kann. Die derzeit vorherrschende Meinung ist folgende: Weil ein Radfahrer auch mit reiner Muskelkraft 45 km/h erreichen kann, so sollte ein gleich schnelles Elektrofahrrad ebenfalls nicht zulassungspflichtig sein. Nicht nur ein Autofahrer hat mir den Vogel gezeigt, als ich mit dem Fahrrad auf der Überholspur unterwegs war. Aber was soll ich machen? Rechts überholen? Mit 50 Stundenkilometer? Da schafft ein Kennzeichen schon einen Hauch von Respekt. Und Respekt einflößend ist das eSpire durchaus, es schiebt wirklich gewaltig an. Außerdem muss man den Autofahrern eine gewisse Lernphase zugestehen: Diese Leute kriechen seit Jahrzehnten durch den gleichen Stau. Wenn da jetzt plötzlich ein roter Blitz mit 50 Sachen vorbeischießt, da kommt schon mehr als einmal Hass und Wut und Neid auf … Wie sieht der ideale eSpire-Fahrer aus? Eher männlich, würde ich jetzt einmal behaupten (ohne jemandem nahetreten zu wollen). Ein Bike für Männer, die Wert auf Design und Technik legen, aber es auch nicht zu hip und zu stylish wollen (die greifen eher zum Grace). Ein Bike für Männer, die sich schon ein wenig zu alt fühlen, um ihre gepflegten Knochen ungeschützt downhill zu jagen. Ein Bike für Männer, die eigene Wege durch den Großstadtwahnsinn suchen; denen es zu blöd ist, sich am täglichen Stau zu beteiligen. Ein Bike für Männer, die viele Termine haben und die Zeit dazwischen mit viel Freude und wenig Schweiß füllen möchten. Ein Bike für Männer, die am Wochenende draußen in der Natur damit trainieren wollen. Ein Bike für Männer, die eine Affinität für Technik haben. Ein Bike für Männer, deren Erstfahrzeug eine Ducati Panigale ist. Und wenn es dann endlich ein eSpire in Triumph-Blau mit Doppelscheinwerfer à la Speed Triple gibt, dann stell’ ich mir auch eines in die Garage …
|